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Aus für das „Früchtehaus“ – Das Christkind brachte die städtische Kündigung – Obsthändler Ayhan und Bistro-Betreiber Sesek müssen Platz machen für die „Neue Mitte“

Bad Vilbel. „Meine Existenz ist zerstört“, klagt Aycan und deutet auf sein Ladengeschäft. 16 Stunden täglich habe er im „Früchtehaus Bad Vilbel“ gearbeitet und es habe ihm dennoch immer Spaß gemacht. Seit seiner Schulzeit habe er stets gearbeitet, doch „wie soll es weitergehen, das ist, als ob man einem Auto die Räder abschraubt.“ Vor neun Jahren bereits hat er das Obstgeschäft übernommen, in dem auch seine Frau Melike Aycan mitarbeitet.

Die Hauptsaison ist vor allem im Sommer. Da seien 160 bis 180 Kunden pro Tag gekommen, erinnert er sich. Dazu beigetragen hat auch die gute Lage zwischen Frankfurter Straße und Kurhausbrücke – und viel Platz für die Außenauslagen schmackhafter Erdbeeren, Äpfel und Südfrüchte.

So etwas noch einmal zu finden, vor allem in so kurzer Zeit – das hält Aycan für aussichtslos. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite werde ein 50-Quadratmeter-Laden für 1800 Euro Kaltmiete angeboten – ein für Aycan unerschwinglicher Preis: „Ich mache 300 Euro Umsatz am ganzen Tag – wie soll ich das bezahlen?“ Zudem habe er 60 000 bis 70 000 Euro in den Laden investiert – und jetzt muss ich mich arbeitslos melden – dank der Stadt.“

Der Obsthändler fühlt sich von den Verantwortlichen im Stich gelassen. „Die Stadt stellt sich quer“, klagt er, „die haben so viele Leerstände auf der Frankfurter Straße, aber ich habe nichts gesehen, das bezahlbar ist.“ Enttäuscht ist er auch vom Gewerbering. „Wir rufen Sie an“, habe man ihm gesagt, „doch seit vier Wochen hat noch niemand angerufen“, meint er resigniert und bilanziert für sich: „In Bad Vilbel hat die CDU das Sagen, nicht die Stadt.“

Aycan räumt ein, dass es seit acht, neun Jahren stets nur Mietverträge gegeben habe, die sich alle drei Monate verlängerten. Doch er habe fest damit gerechnet, noch bis Februar oder März Zeit zu bekommen. Nun droht schon im Februar der Abriss. Auf dem Grundstück sollen später Baubuden für die Arbeiten an der Brücke stehen, die für die Erschließung der Neuen Mitte benötigt wird.

„Ich würde mein Geschäft gerne weiterführen“, gibt Aycan die Hoffnung noch nicht auf. Aber es müsse nicht nur bezahlbar sein, sondern auch Platz für Außenauslagen geben und Laufkundschaft anlocken. Die Angebote, die er bisher gesehen habe – etwa in Passagen – kämen für ein Obstgeschäft nicht in Betracht. Noch habe er eine große Stammkundschaft, darunter viele ältere Leute, denen er ihren Einkauf nach Ladenschluss auch mitunter nach Hause bringe.

Der persönliche Kontakt zu seinen Kunden ist ihm wichtig. „Bei uns daheim, in der Türkei, wachsen überall Granatäpfel“, erzählt er einer Kundin, die gleich ein Kilo der Südfrüchte mitnimmt. „Bitte nicht solange in der Kälte lagern – sonst kriegen die Frostbeulen“, rät er einer anderen Kundin, die frischen Salat kauft.

Bereits 21 Jahre steht das Bistro Cadillac am Zentralparkplatz, aber nicht mehr lange. Auch der Kroate Damir Sesek hat nach drei Jahren zum 31. Januar die Kündigung erhalten. Im November habe die Stadt bereits ein Info-Schreiben geschickt, wonach im ersten Quartal 2011 die Kündigung erfolgen solle. Sesek hatte bis zuletzt geglaubt, es könne März werden. „Seit neun Jahren spricht man über den Bau der Neuen Mitte – aber es passiert nichts“, ergänzt Seseks Schwester Jasmin, die ihm beim Betrieb des Bistros hilft – „man ist machtlos.“ „Natürlich war ich schwer überrascht“, sagt Sesek – „das ist eine üble Bescherung vor Weihnachten.“ Auch ihm habe die Stadt keine Alternativen angeboten. Er wolle jedenfalls gerne in Bad Vilbel bleiben, da habe er sehr viele Stammgäste, die ein bis drei Mal die Woche vorbeischauten und nun fragten: „Wo können wir denn dann hinkommen?“ Aber die Suche fällt ihm schwer. Ein Objekt mit Sommerterrasse in der Innenstadt – das sei eigentlich nicht zu finden.

Nicht nur die Kündigung und die Suche nach einer neuen Lokalität beschäftigt ihn. Auch das Inventar, das er nicht von Brauereien geleast hat, sondern selbst kaufte, muss auch irgendwo untergebracht werden. Das beschere ihm noch zusätzlich Lagerkosten, befürchtet er. Wenn alle Stricke reißen, werde er eben wieder bei Fraport arbeiten, sagt Sesek. Und er hofft, dass er sich nach Abschluss der Bauarbeiten an der Neuen Mitte dort als Mieter bewerben kann und einen Pluspunkt mehr habe als andere Bewerber, weil er an dieser Stelle schon erfolgreich tätig gewesen sei