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Beim Filmen ist vor allem Geduld gefragt

Auch das ist Teil der Szenerie beim Dreh zum Kino-Kurzfilm »Run« des Open-Mind-Ensembles: Es soll wie zufällig wirken. Die Statisten Sebastian und Melissa Pabst gehen mit Tochter Paulina im Buggy spazieren, Bernd Fischer sitzt auf der Bank und liest Zeitung. Foto: Christine Fauerbach
Auch das ist Teil der Szenerie beim Dreh zum Kino-Kurzfilm »Run« des Open-Mind-Ensembles: Es soll wie zufällig wirken. Die Statisten Sebastian und Melissa Pabst gehen mit Tochter Paulina im Buggy spazieren, Bernd Fischer sitzt auf der Bank und liest Zeitung. Foto: Christine Fauerbach

Skulpturenpark ist Drehort für eine OME-Produktion über sexuelle Vielfalt

Karben. Es hat ein bisschen was von Hollywood oder Babelsberg: Das Open-Mind-Ensemble dreht unter anderem in Karben Szenen für den Kurzfilm »Run«. Er ist als Präventionsprojekt gedacht mit den Themen Diversität und sexuelle Vielfalt. Ziel ist es, einen Beitrag gegen Ausgrenzung zu leisten.

Für Eilige ist ein Filmdreh nichts. Geduld ist gefragt, bis es mit dem Drehen einer Szene losgeht und Produktionsassistent (Clapper) Sven Schreiter die Filmklappe schlägt. Zuvor ertönt die Info »Ton ab«. Sobald der Clapper vollständig aus dem Bild verschwunden und der Bildausschnitt für die nachfolgende Aufnahme eingestellt ist, meldet der Kameramann »Set!«. Jetzt ergeht das Kommando an die Darsteller mit »Bitte!«. Kamera und Ton sind eingerichtet, der Bildausschnitt passt, die letzten Anweisungen der Regisseure an Darsteller und Statisten erfolgt.

Hollywood-Feeling in Karben: Rund ums Hallenfreizeitbad wird an diesem Sonntag gedreht. Das Open-Mind-Ensemble (OME) arbeitet an seiner ersten Kino-Produktion. Das als integratives Theaterprojekt gestartete Ensemble will sein Präventionsstück »Run« in die Kinos bringen. Spaziergänger, Sportler, Schwimmbadbesucher, Autofahrer und Passanten schauen interessiert dem Gewimmel aus Menschen, Kamera, Mikrofonen und Sonnenschirmen zu.
Kaum läuft die Kamera, kommt schon das Signal: »Unterbrechung.« Grund: Lautes Lachen und Gespräche von Passanten. Alles von vorn, dann das: ein kurzer Regenschauer. Den nächsten Drehstopp verursachen Schweißperlen auf den Gesichtern der Darsteller. Geduldig bleiben bei all dem Trubel Dagmar Becker und Anita Zang. Sie sind die Darstellerinnen Biggi und Barbara, die ein lesbisches Paar spielen. Immer wieder heißt es für sie erneut den Weg entlangzugehen. Erst wenn »Danke« ertönt, ist das Spiel für die Akteure vorbei. Die Aufnahmen werden gestoppt.

Die Komparsen beobachten alles aufmerksam. Zu ihnen gehören die kleine Paulina mit ihren Eltern Melissa und Sebastian Pabst. Dabei sind auch Zeitungsleser Bernd Fischer, die Drogendealer Daniela alias Kathrin Rohleder und Tim gespielt von Dennis Smith. »Ich bin zum ersten Mal dabei, es ist spannend zu sehen, wie gedreht wird, wie lange alles dauert und wie viel Arbeit in jeder Szene steckt«, sagt Bernd Fischer.

Strenge Zeiteinteilung
Hinter einigen der 28 Laien-Darsteller und 15 Komparsen sowie den Regisseuren Janine Karthaus und Oliver Becker, dem Team der Schönecker Filmproduktion Roko Media, den Backstage-Fotografen Marco Viewa und Patrick Leidner liegt da bereits ein elfstündiger erster Drehtag. Ihr Set bauten sie dazu in einer Friedberger Privatwohnung auf. Disziplin und hohe Konzentration sind gefragt, damit die professionellen Abläufe und das strenge Zeitmanagement beim Drehen eingehalten werden.

Kathrin Rohleder ist seit 10 Uhr am Set. Make-up-Artist Gisela Paulus und ihre Auszubildende Julie Wilhelm haben aus der braven Kärberin mit Toupieren, Haarspray und Make-up eine coole wirkende Drogendealer-Braut gemacht. Und Hauptdarsteller Leon (Yannik Arora) zauberte das Duo Spuren einer Schlägerei ins Gesicht.
Ihn hat das Drogendealerpärchen verhauen, weil es denkt, er habe sie beim Dealen beobachtet und wolle jetzt zur Polizei gehen. Für ihn liegen die Gründe im Hass gegenüber Fremden und Schwulen. »Der erste Drehtag war sehr anstrengend. Es war harte Arbeit, aber mit Spaß«, sagt Yannick Arora.

Kathrin Rohleder durchlebt ein emotionales Wechselbad. »Zu Hause war ich nervös, in der Maske ruhig und jetzt wieder unruhig.« Es sei schwierig, sich zu konzentrieren, wenn zehn Leute, Kameraleute und Techniker, um einen rumstehen und sagen, was und wie man etwas tun muss. »Ich bin gespannt wie es vor der Kamera sein wird.«

Doku der Dreharbeiten
Im Bild festgehalten wird das Drehen nicht nur von den Profis der Filmproduktionsfirma Roko Media, sondern auch von Marco Viewa und Patrick Leidner. Das Duo dokumentiert die Dreharbeiten mit seinen Fotoapparaten für die Backstage-Reportage mit der sich Oliver Becker bei der Hessischen Kulturstiftung erfolgreich für ein Arbeitsstipendium beworben hat.
Die Premiere des rund 45-minütigen Kurzfilms »Run« ist für Freitag, 12. März 2021 geplant.

Literaturforum ist mit im Boot

Im Zentrum des Kurzfilms »Run« stehen die Themen Diversität und sexuelle Vielfalt. Ziel des Filmes ist es, mit künstlerischen Elementen Zuschauer zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen. Lösungsansätze werden nur angedeutet. Es gibt keine klare Opfer-/Täter-Rolle.
Aufgezeigt werden gesellschaftliche Probleme, demonstriert wird der schmale Grat zwischen eigener Realität und äußerer Beeinflussung. In der Story ist sich Leon zwar seiner sexuellen Orientierung bewusst, ist aber nicht in der Lage, darüber zu sprechen oder diese zu leben. Trotz der Hilfe seiner besten Freundin Lisa verfällt er immer mehr seinen Ängsten und Vorurteilen gegenüber der Gesellschaft. Das Karbener Literaturforum hat die Trägerschaft für das 35 000 Euro teure Filmprojekt übernommen. Gefördert wird es von der Stadt Karben und dem Wetteraukreis mit Mitteln aus dem Projekt »Demokratie leben!«. (fau)