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City ohne Frischluft – Umweltverbände fordern Gutachten zu Windströmen

Zur Bebauung des Stadtzentrums melden sich die Umweltverbände zu Wort: Sie lehnen das Projekt ab, weil sie fürchten, dass dort die Frischluftströme behindert werden. Das sorgt im Rathaus für Unverständnis.

Karben. Erst das City-Center, dann das Baugebiet Brunnenweg und das Selzerbrunnencenter – nach und nach füllt sich das Karbener „Stadtzentrum“. Mit den Komplexen Rewe-Markt und Volksbank beiderseits der Luisenthaler Straße am Krnover Platz soll es in den nächsten 18 Monaten fürs Erste komplettiert werden.

Nun meldeten sich die Umweltverbände zu Wort: Unverdrossen werde das Restgebiet der alten Niddaaue wider besseren Wissens versiegelt, die Frischluftschneise weiter zugebaut.

„Nun geht es an die letzten Freiräume, die in der ,Neuen Mitte‘ noch offen sind“, kritisieren sie. Sowohl die Karben/Niddatal-Gruppe des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) wie auch der Naturschutzbund Karben (Nabu) fürchten negative Auswirkungen auf die dortige Kaltluftschneise. Das erklären BUND-Vorsitzende Ulrike Loos und Nabu-Vizechef Hans Hansen in einer gemeinsamen Erklärung. Beide Umweltverbände hätten während des Genehmigungsverfahrens für den Rewe-Komplex Änderungswünsche bezüglich „Größe und Höhe der geplanten Gebäude“ genannt – diese aber wies das Stadtparlament zurück.

Politik reagiert nicht

Seit 20 Jahren stemmen sich BUND und Nabu gegen alle Bauvorhaben beiderseits der Bahnhofstraße in der Talaue der Nidda. Denn 1991 habe ein Klimagutachten nicht nur die Notwendigkeit der Frischluftschneise für den nächtlichen Luftaustausch bestätigt, sondern auch auf die überregionale Bedeutung der Kaltluftströme hingewiesen.

Das aber interessiere die Politik nicht, beklagen Loos und Hansen. „Das Gebiet wird immer mehr zugebaut, ohne die kritische Klimasituation zu berücksichtigen.“ Die Forderung von BUND und Nabu deshalb: „Es ist höchste Zeit für die Stadt, nun wirklich das von uns geforderte weiträumige Klimagutachten erstellen zu lassen“, sagen Loos und Hansen. „Bevor der ,Neuen Mitte‘ endgültig die Luft abgeschnitten wird.“

Der Vorstoß der Umweltschützer verursacht bei Bürgermeister Guido Rahn (CDU) große Verwunderung. „Für die Kritik habe ich kein Verständnis, denn die Studie haben wir längst zugesagt.“ Anfang Januar hätten die Verbände und er das besprochen. „Die Verbände sollen definieren, wie großräumig untersucht werden soll“, erklärt er. Auf die Rückmeldung warte er bis heute.

Den Anlass für die Kritik lässt Rahn nicht gelten: Die Genehmigung des Rewe-Komplexes sei nur eine Umplanung. „Der ursprüngliche Bebauungsplan für die Flächen ist schon zehn Jahre alt.“ Grundlegendes sei nicht geändert worden. Allerdings räumt er ein: „Es ist wichtig, dass wir die Frage der Luftströme einmal grundlegend klären.“ Es mache keinen Sinn, weiterzubauen und stets auf die gleichen Widerstände zu stoßen. „Also machen wir besser ein großes Gutachten für die gesamte Nidda-Aue und wissen dann Bescheid.“

Eine Bebauung dort stört die Umweltschützer, ebenso wie die künftige Nordumgehung und die genehmigte Erweiterung der Kelterei Rapp’s. Damit „wird eine sehr starke Sperrwirkung für bodennahe Luftbewegungen aus nördlicher Richtung auf die Baugebiete in der ‚Neuen Mitte‘ ausgeübt“, sagen Ulrike Loos und Hans Hansen. (den)