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Direkte Hilfe

Stiftung von Pfarrer Flick unterstützt Bedürftige – seit 150 Jahren

Im Karbener Stadtteil Petterweil wurde am vergangen Sonntag die 150-jährige Stiftung gefeiert – hier in der evangelischen Martinskirche. Fotos: Dostalek
Im Karbener Stadtteil Petterweil wurde am vergangen Sonntag die 150-jährige Stiftung gefeiert – hier in der evangelischen Martinskirche. Fotos: Dostalek

Eine kleine Stiftung in einem kleinen Dorf hat 150 Jahre überdauert: Am Sonntag wurde in einem Festakt des Gründers gedacht, des Pfarrers Heinrich Christian Flick (1790–1869). Sein Vermächtnis ist die Armen-Kran- ken-Stiftung für Petterweil.

Karben. „Er war ein liebender Mensch“, sagt Michael Neugber über den Amtsbruder, der vor 150 Jahren sein ganzes Vermögen in eine Stiftung für Petterweil einbrachte. Die Durchsicht der hinterlassenen Predigten, Erinnerungen an die früh verstorbene Ehefrau und einige Gedichte lassen den Pfarrer der evangelischen Gemeinde Petterweil zu dieser Einschätzung kommen.

Und natürlich seine Taten, denn Flick hat sich als Dorfpfarrer und Seelsorger mit Amtsantritt 1822 stets um die Menschen im Ort gekümmert, wusste über ihre Notlagen Bescheid und wollte im Sinne der christlichen Nächstenliebe helfen. Das hat er auch später noch getan, als er seines Amtes als evangelischer Pfarrer enthoben wurde.

Flick gehörte zu den revolutionär gesinnten Demokraten des Vormärz’, wurde 1835 nach dem Sturm auf die Frankfurter Hauptwache verhaftet, an dem er nicht teilgenommen hatte, und saß vier Jahre in Untersuchungshaft. Dank eines Gnadenerlasses musste er seine achtjährige Haftstrafe nicht antreten. Seine Gemeinde liebte ihn und hätte ihn gerne wieder gehabt – doch 1854 wurde seine endgültige Entlassung angeordnet. Flick blieb in seinem Geburtsort Petterweil, kaufte sich einen Hof und betrieb eine kleine Landwirtschaft.

Kapital geschrumpft

Drei Jahre vor seinem Tod bestimmte Flick, dass all sein Vermögen in eine Stiftung einfließen solle, die er Armen-und-Kranken-Stiftung für Petterweil nannte. In den Statuten ist genau festgelegt, dass der Kapitalzins für „arme Kranke zu Petterweil“ verwandt werden soll und „da, wo schleunige Hilfe Not tut“. Damals wie heute wird die Stiftung von der evangelischen Gemeinde verwaltet.

Bekannt ist das Wirken der Stiftung nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie betrieb in Petterweil einen evangelischen Kindergarten und eine Schwesternstation in der Alten Hainstraße 42. Vorübergehend wurden auch Ausgebombte und Flüchtlinge in dem Haus untergebracht. Am 18. März 1953 wurde ein Altersheim eröffnet, in dem sieben Frauen wohnten. In den 70er-Jahren geriet die Stiftung langsam in Vergessenheit, denn Petterweil wurde nach Karben eingemeindet. Der evangelische Kindergarten und das Altersheim wurden aufgelöst.

Überdies war das Stiftungskapital geschrumpft – Grund waren die Jahre der Inflation, eine vorübergehende Beschlagnahmung während des Dritten Reichs und der Währungsreform im Jahr 1948. „Es ist ein Wunder, dass der Grundstock dieser Stiftung nie verloren ging“, sagt Neugber. Im Jahre 1866 bestand der Kapitalstock aus 500 Gulden in einer herzoglich-nassauischen Partialobligation, also einer Form der Schuldverschreibung.

Nach seinem Tod kamen noch der Hof und Pachteinnahmen hinzu. Heute verfügt die Stiftung über ein Kapital in Höhe von 137 000 Euro – eine stattliche Summe im Vergleich zu den 21 500 Euro im Jahre 2007. Eher zufällig war der Petterweiler Hobbyhistoriker und Gemeindemitglied Dieter Nölle damals auf den Eintrag zu dieser Stiftung gestoßen. Als der Kirchenvorstand der Kirchengemeinde dem nachging, stellte er zum großen Erstaunen fest, dass es noch ein Stiftungskapital gab – eben diese 21 500 Euro. Die Gemeinde beschloss, die Stiftung zu reaktivieren. Im Jahr 2008 nahm ein Stiftungskuratorium aus Mitgliedern der evangelischen Gemeinde Petterweil seine Arbeit auf.

Aktiv geworben

„Wir haben seitdem aktiv für Zustiftungen geworben. Wir hatten in den vergangenen Jahren viele kleine Spenden und auch einige richtig große Zustiftungen“, freut sich Pfarrer Neugber. Dank der Stiftung könne die Gemeinde hervorragend ihren diakonischen Auftrag erfüllen und damit hilfsbedürftigen Menschen beistehen.

Eine Vision hat er aber: Wenn das Stiftungskapital irgendwann einmal hoch genug ist, dann könnte die Stiftung vielleicht in den sozialen Wohnungsbau investieren und ein Haus für das betreute und generationenübergreifende Wohnen errichten.