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Einmal anders sein dürfen – Das Wort zum Sonntag

In diesen Tagen ist wieder die so genannte fünfte Jahreszeit. Die Narren haben alles fest in der Hand. Auf den Sitzungen der Vereine werden die Politiker und auch wir kleinen Leute kräftig durch den Kakao gezogen. Es wird geschunkelt und gelacht, gesungen und so manches konsumiert. Einen Höhepunkt der Fastnacht bilden die Umzüge, wie der in Bad Vilbel am nächsten Sonntag, auf dem auch die Christuskirchengemeinde mit einem Wagen vertreten ist.

Die Kirche dabei in der Fastnacht? Die Älteren erinnern sich sicher noch, dass Fastnacht von den älteren evangelischen Pfarrern streng abgelehnt wurde. Als ich vor vielen Jahren etwas verkleidet von einer Fastnachtsfeier der Jungschar zurückkehrte, lief ich einem alten Kollegen über den Weg, der mich missbilligend ansah und meinte: So, Sie machen da auch mit? Ich war damals etwas verlegen und antwortete ausweichend. Vor allem in der evangelischen Kirche sah man lange Zeit in der Fastnacht nur eine ausschweifende Zeit, in der die Menschen über die Stränge schlagen anstatt nach Gottes Geboten zu leben.

Wie kam es zur Fastnacht? Mit dem Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit, in der sich Christen auf das Leiden Jesu Christi besinnen und daher früher auf viele Freuden des Lebens verzichtet haben. Aus diesem Grund wollte man in den Tagen vorher noch einmal all das genießen, auf das man in der Fastenzeit verzichten musste. Die Fastenzeit spielt heute in unserem Kulturraum kaum noch eine Rolle. Die Fastnacht dagegen ist geblieben.

Dürfen wir uns als Christen freuen und an Fastnacht mitfeiern? Wir sollten nicht immer so misstrauisch sein gegenüber der Freude. Hat man doch auch schon Jesus vorgeworfen, dass er ein Fresser und Weinsäufer sei (Matthäus 11,19). Und immerhin hat er auf der Hochzeit von Kana Wasser in Wein verwandelt, damit die Freude nicht rasch zu Ende sei (Johannes 2). Nur – muss Freude und Lachen immer nur auf Kosten von anderen gehen. Und warum wird am meisten gelacht, wenn es schlüpfrig wird? Können wir uns anders nicht mehr freuen?

In fröhlicher Weise nehmen die Narren kritisch Stellung zu vielen Fragen unserer Zeit. Vielleicht haben wir in den Kirchen oft zu griesgrämig angeklagt. Eine Kritik mit Augenzwinkern, die zum Mitlachen anregt, nehmen wir vielleicht leichter an als eine Moralpredigt.

An Fastnacht gelten einmal andere Regeln als normal. Wir dürfen einmal in eine andere Rolle schlüpfen. Aus dem kleinen unscheinbaren Mädchen darf dann eine Prinzessin werden und aus dem Büroangestellten ein aufregender Pirat. Die Narren übernehmen das Zepter und der normale Alltag der Macht tritt für ein paar Tage zurück. Könnte für Christen in dem ganzen bunten Fastnachts-treiben nicht auch die Botschaft stecken: Du musst nicht so bleiben wie du bist. In dir stecken noch viele Möglichkeiten. Mit Gottes Hilfe kannst du anders werden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen fröhliche Fastnachtstage und Gottes Segen.

Pfarrer Michael Solle,

Ev. Christuskirche Bad Vilbel