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Erinnern ans Leid – Karbener gedenken des Judenpogroms von 1938

Karben. „Heute vor 73 Jahren um diese Uhrzeit brannte die Synagoge in Groß-Karben. Die Feuerwehr kam, durfte aber auf Anweisung des damaligen Bürgermeisters nicht löschen“, sagte Hartmut Polzer von der Initiative Stolpersteine zu etwa 100 Gästen in der St. Michaelis-Kirche. Es wurde jener jüdischen Kärber gedacht, mit denen man Tür an Tür lebte. Ihre Namen und Schicksale wurden in einer szenischen Lesung in Ansätzen lebendig. Mitglieder der kirchlichen Theatergruppe lasen Passagen vor, lieferten Dialoge und den Zuhörern historische Hintergründe; Regie führte Pfarrer Werner Giesler. Basis waren Vernehmungsunterlagen, Protokolle von Gerichtsverhandlungen sowie Erinnerungen von Zeitzeugen. Die Theatergruppe zeichnete in Auszügen den Weg nach, den der Mob aus SA-Männern, Parteimitgliedern und Schaulustigen am 10. November 1938 nahm.

„Alle männlichen Juden festgenommen – ging nicht ohne Schläge – und ins Degenfeldsche Schloss verbracht. Schutzhaft. Anschließend mit Bürgermeister Flach zum Hugo Junker in der Bahnhofstraße 34. Laden und Wohnung demoliert. Fensterläden abgerissen, Lebensmittel auf die Straße geworfen. Dann zum Haus Ross, Bahnhofstraße 24. Nähmaschine durchs Fenster geworfen. Gab einen mords Radau. Am Abend dem Seppel Junker den Viehstall und die Scheune angesteckt. Und zur Krönung die Synagoge geplündert und ein feines Feuerchen gemacht“. Zwischen den Szenen musizierten Corinna Danzer und Jonas Lohse an Saxofon und Kontrabass. Indes blieb Jonas Lazar als mimischer Darsteller ohne Worte. In gebückter Haltung harrte er still aus vor Jesus am Kreuz. Er verkörperte das Leiden der Juden.

„Ich habe im Ersten Weltkrieg vieles erlebt. Aber hier, unter einem Kulturvolk des 20. Jahrhunderts, war der Boden getränkt mit Blut.“ Dies gab einer jener Kärber Juden zu Protokoll, die nach dem Pogrom für einige Wochen im Konzentrationslager Buchenwald interniert worden waren. Abschließend las die Theatergruppe 45 Namen deportierter Kärber Juden vor. (kre)