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Fluss wird natürlich – Karbener in Sorge vor Überschwemmung durch Renaturierung der Nidda

Die Pläne für die Nidda-Renaturierung in Karben werden hochgelobt, auch von den Bürgern. Aus ihren Reihen kommt jedoch ein großes Aber. Die Anlieger fürchten, dass der Hochwasserschutz leiden könnte.

Karben. Da kann Klaus Janz mit dem Kopfschütteln kaum aufhören. Die wollen wirklich den Hochwasserdamm der Nidda direkt an die Rückfront der Gärten der Hessenring-Häuser verlegen! An seinen Garten! Schwappen die Nidda-Fluten bei Hochwasser dann über den Wall direkt ins Wohngebiet?

Im Bürgerzentrum wirft Janz an diesem Abend zum ersten Mal einen Blick auf die Pläne zur Renaturierung der Nidda im Stadtgebiet. „Wir wollen etwas erreichen für die Bürger, für die Natur und für den Hochwasserschutz“, erklärt Bürgermeister Guido Rahn (CDU) den gut 80 Anwesenden der Bürgerversammlung. „Und das soll uns nicht ’mal teuer kommen.“

Womöglich, fürchtet Anwohner Janz, könne es den Anliegern aber schaden. Diverse sind gekommen und hegen Zweifel an den Plänen. Denn Gewässerökologe Gottfried Lehr aus Bad Vilbel, der die Planung erstellt hat, erläutert, dass die heutigen Wälle direkt am Fluss verschwinden. Die Nidda soll doppelt so breit fließen können, von Kiesbänken und Inseln ausgebremst, die Karbener kommen an flachen Ufern ans Wasser. „Der Fluss soll wieder als solcher erkennbar und kein Kanal mehr sein“, ergänzt Rahn.

Fluss mehr Platz geben

Erlebnispunkte, Niddastrand, Flutgräben und Hundebadestelle sollen Attraktionen für die Bürger werden – auch damit diese künftig in den hochsensiblen Bereichen wie bei Gronau Biber, Schildkröte und Eisvogel den Vorrang lassen.

Von allen Seiten kommen nur lobende Worte, manch einer gerät angesichts der Aussicht auf die neue Nidda ins Schwärmen. Was aber, wenn die Flutdämme an der Nidda verschwinden? Neun Jahre liegt das letzte große Hochwasser zurück. Bis weit ins Wohngebiet hinein drückte damals das Hochwasser von unten in die Keller, erinnert Groß-Karbens Ortsvorsteher Hans-Jürgen Kuhl (SPD).

Statt der heutigen Dämme direkt am Fluss sollten die heutige zweite, niedrige Reihe von Dämmen direkt an der Bebauung erhöht werden, erläutert Planer Lehr. „Mindestens so hoch wie die bisherigen Wälle an der Nidda, wir wollen sie aber bis zu einem Meter höher bauen.“ Damit würden die Wohngebiete doppelt besser geschützt, denn: „Wenn der Fluss mehr Platz hat um sich auszudehnen, ist die Situation bei Hochwasser sowieso sicherer.“

Exakte hydraulische Untersuchungen in den nächsten Wochen sollen noch ergeben, an welchen Stellen die neue Nidda wie gestaltet werden kann. Jeder Baum, der im Flussbereich stehe, könne den Abfluss bei Hochwasser bremsen.

Flut steigt langsamer

Am Ende werde ein Konzept stehen, das den Anwohnern mindestens so viel Sicherheit bietet wie heute. „Wir kriegen das sonst eh’ nicht genehmigt“, sagt Lehr. Ziel sei aber, dass der Hochwasserschutz noch besser werde. Durch die Renaturierung sei ein Effekt sicher: „Das Wasser steigt heute schneller an als künftig.“ Ganz glücklich macht das die Anwohner nicht. Sie wollen in ein paar Wochen zum Fachgespräch mit Stadt und Planer zusammenkommen. „Welche Folgen wird das für die Gebäude haben, wenn das Hochwasser viel näher an den Gärten steht als heute?“ fragt Klaus Janz. Da hat Gewässerökologe Lehr nur eine bittere Erkenntnis für die Karbener: „Ihre Häuser stehen alle im Hochwassergebiet, sie haben unwissend ins alte Flussbett der Nidda gebaut.“ Ein leises Raunen geht durchs Publikum. „Ändern können wir das nicht“, sagt Lehr, „aber wir werden die Situation auch nicht verschlimmern.“ (den)