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Frische, kalte, klare Luft – Das Wort zum Sonntag

Eigentlich mag ich Weihnachten. Ich mag ohnehin die kalte Jahreszeit sehr gerne, das Gefühl, aus der Wohnung ins Freie zu treten, und die frische, kalte, klare Luft einzuatmen, die Ker-zen, das schummrige Licht, den leckeren Punsch, die Lebkuchen, die Besuche auf den Weih-nachtsmärkten und und und… Das birgt für mich viele Kindheitserinnerungen, das bringt Gemütlichkeit ins Leben.

Was ich an Weihnachten weniger mag, ist das Geschäft, das daraus gemacht wird. Klar, der Einzelhandel will auch Geld verdienen, es hängen ja auch ein paar tausend Jobs dran, aber die hemmungslose Kommerzialisierung dieses Festes trübt meine Weihnachtsfreude durchaus. Vor allem auch deshalb, weil ich miterlebe, dass die Advents- und Weihnachtszeit für viele Menschen alles andere als besinnlich ist. Zu keiner anderen Jahreszeit offenbart sich unsere gewohnte Konsummentalität mehr: Möglichst viel, möglichst groß, möglichst billig und in möglichst kurzer Zeit.

Aber das ist eben nicht nur in der Weihnachtszeit so. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir viel zu sehr unser Leben abhängig machen von der materiellen Seite des Lebens. Sicher, jeder möchte einen ihm angenehmen Lebensstandard erreichen und pflegen. Ist ja auch nicht verkehrt. Aber macht uns das wirklich zufrieden? Den Eindruck habe ich, ehrlich gesagt, nicht. (Und Zufriedenheit ist es ja, wonach wir eigentlich auf der Suche sind). Wann hat man schon mal genug?

In der Jahreslosung, dem Bibelvers der evangelische (und auch andere) Christen durchs Jahr begleiten soll, sagt uns Jesus: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“. Das hat mindestens zwei Botschaften. Zum einen sagt uns Jesus: „Ich bin kein Mythos, keine Wunschvorstellung und keine Märchenfigur. Ich bin Realität, ich lebe, wirklich und erfahrbar“. Zum zweiten: „Ihr sollt auch leben“. Leben, wohlgemerkt, nicht nur existieren. Leben in dem Sinn heißt: Den Mittelpunkt des Lebens finden. Traurigkeit, Bitterkeit, Neid, Geiz, Gier und alles, was sonst mein Leben schwer macht, hinter mir lassen zu können. Mit meinem Leben zur Ruhe zu kommen. Es gibt sicher noch mehr Beschreibungen dafür. Schon der Kirchenvater Augustinus hat gesagt, dass das Herz des Menschen unruhig ist, bis es in der Gemeinschaft mit Gott Ruhe findet.

„Ich lebe und ihr sollt auch leben“, sagt Jesus. Nicht einfach nur stoffwechseln, nicht vegetieren, nicht einfach nur die Lebenszeit hinter sich bringen. LEBEN. Wer will da zu diesem Angebot noch Nein sagen?

Rolf Schwärzel,

Pastor der Freien

evangelischen Gemeinde

Bad Vilbel