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Jeder sechste Bad Vilbeler hat eine Behinderung – Hajo Prassel will Änderungen durchsetzen

Jeder Sechste in Bad Vilbel ist betroffen: der städtische Behindertenbeauftragte Hans-Joachim Prassel mit seinem Behindertenausweis und einer Liste möglicher Verbesserungen. Foto: Kopp
Jeder Sechste in Bad Vilbel ist betroffen: der städtische Behindertenbeauftragte Hans-Joachim Prassel mit seinem Behindertenausweis und einer Liste möglicher Verbesserungen. Foto: Kopp

Die Zahl ist erstaunlich: Von den rund 33 500 Einwohnern Bad Vilbels haben über 5000 eine Behinderung. Für den Behindertenbeauftragten Hans-Joachim Prassel ein Grund mehr, sein Anliegen in das Bewusstsein der Bevölkerung zu heben – und dabei auch über lange Zeiträume zu nachzudenken.

Bad Vilbel. Immer öfter erreichen den Bad Vilbeler Beauftragen für Menschen mit Behinderungen, Hans-Joachim Prassel, Anfragen von Wetterauer Kommunen. Die wollen ein neues Gebäude errichten, fragen, auf was sie achten sollten. Denn die wenigsten Städte, auch nicht der Wetteraukreis leisten sich einen Behindertenbeauftragten. Dass sie das aber tun sollten, das ist für Prassel wegen der aktuellen Statistik klar.

Hohe Dunkelziffer

Denn 5145 Bad Vilbeler haben eine anerkannte Behinderung, „die Dunkelziffer ist viel höher, weil Leistungen nicht beantragt werden oder man die eigene Behinderung etwa wegen eines künstlichen Hüftgelenks oder nach einem Herzinfarkt nicht wahrhaben will“, sagt Prassel. 1724 Menschen fallen unter den Status leichter Behinderungen. 3421 sind dagegen schwerbehindert mit einem anerkannten Grad von 50 bis 100 Prozent. Mehr als die Hälfte der anerkannten Behinderungen entfallen auf Menschen über 65 Jahre, die größte Gruppe stellen Gehbehinderte.

Für Prassel – selbst überrascht von der Zahl – ein Grund, Gegebenes in Frage zu stellen. „Bund und Land haben Gleichstellungsgesetze, die Menschen aber leben in den Kommunen. Dort greifen die Gesetze nicht“, ärgert er sich.

Kurzsichtiges Handeln

Auch kurzsichtiges Handeln prangert er an. So würden Neubaugebiete an die private Wirtschaft gegeben, dementsprechend wirtschaftlich werde gebaut. Kommen die Menschen dann in ein anfälliges Alter, muss die öffentliche Hand herhalten und bedarfsgerechte Einrichtungen anbieten.

„Der Wohnungsbau ist privatisiert, die Pflege aber sozialisiert“, sagt Prassel. Dabei sei es gar nicht so teuer, Neubauten so zu errichten, dass später ohne viel Aufwand nachgerüstet werden kann. „Das kostet 1,26 bis 5 Prozent mehr“, weiß Prassel. So könne man Häuser in Ständerbauweise gleich mit Holzwänden verstärken, um später etwa Haltegriffe anzubringen.

Kleine Hilfen für alle

Im öffentlichen Raum sieht Prassel ebenfalls Handlungsbedarf. Er begrüßt es, dass in der Frankfurter Straße mehr Ruhebänke installiert werden. Doch das geht ihm nicht weit genug. Er will beobachten, sammeln und dann mit Sozialamtsleiter Jörg Heinz das weitere Vorgehen besprechen.

Ihn stört, dass die Politik oft vom schlimmsten Fall, etwa der Querschnittslähmung, ausgehe und dann nach Schubladendenken handele. Dabei seien kleine Hilfen für weitaus größere Gruppen angebracht. Das betreffe nicht nur Senioren mit ihrem Rollator, sondern auch durchaus kerngesunde Mütter mit Kinderwagen. „Ich plane keine Stadt für Rollstuhlfahrer“, sagt Prassel, selbst seit einem Unfall auf das Hilfsmittel angewiesen. „Aber eine Umgebung, in der jeder Mensch weitestgehend ohne Hilfe zurechtkommen kann.“


Hajo Prassels nächste Sprechstunde als städtischer Behindertenbeauftragten findet am Dienstag, 31. Juli, von 10 bis 12 Uhr im Rathaus, Am Sonnenplatz 1, statt. Außerhalb der Sprechzeiten ist er unter (0152) 34563360 zu erreichen oder per E-Mail an behindertenbeauftragter@bad-vilbel.de.