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Kraft für steinige Wege

Eva Raboldt im Gespräch mit Karen Hofmann (links) Foto: Fauerbach
Eva Raboldt im Gespräch mit Karen Hofmann (links) Foto: Fauerbach

Dreifache Mutter von zwei gesunden Töchtern Johanna (21) Paulina (15), und einem schwerstbehinderten Sohn Anton (19), berufstätig und ehrenamtlich aktiv: Das ist Karen Hofmann. Die gebürtige Frankfurterin wurde jetzt von Eva Raboldt, Büroleiterin der Selbsthilfekontaktstelle Bürgeraktive Bad Vilbel, in ihrer Gesprächsreihe „Starke Frauen in Bad Vilbel“ vorgestellt

Bad Vilbel. Karen Hofmann wohnt mit ihrer Familie seit 15 Jahren in Dortelweil. Sie hat trotz starker familiärer Inanspruchnahme, ihrem Engagement in einer Selbsthilfegruppe und dem Verein „Pink Wetterau“ (Projekt Inklusion Wetterau) eine Teilzeitstelle beim Internationalen Bund (IB) in Friedberg angenommen. „Wichtig ist, den Fokus nicht nur auf das behinderte Kind zu legen, sondern auch auf das Leben der Geschwister und das eigene.“ Anton ist geistig behindert, braucht Pflege rund um die Uhr. Zur Familie der 46-Jährigen gehört noch ein „straßenreiner“ Hund. „Meine Familie ist alles für mich, meine Kinder sind wichtig.“

Karen Hofmann trennte sich vor einem halben Jahr, nach 22 Jahren, Ehe, von ihrem Mann Ulrich. Zu den Veränderungen in ihrem Leben gehören ferner der Auszug von Tochter Johanna, eine Schulter-OP und der Umzug der Familie in der nächsten Woche. Sie strahle trotzdem Ruhe und Gelassenheit aus, sagte Raboldt. „Das habe ich von meiner Mama“, lautete die Antwort. Sie lebe mit ihrer Mutter zusammen, die sie sehr unterstütze. „Ich fühle mich als starke Frau, weil ich trotz vieler Steine, immer meinen Weg gegangen bin.“ Durch Anton, inzwischen 1,40 Meter groß und 40 Kilogramm schwer, sei sie sehr stark und selbstbewusst. „Jeder hat sein Päckchen, das er mit sich herumträgt. Ich schöpfe viel Kraft aus Gesprächen mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen, mit meiner Mutter und meinem Mann. Außerdem schreibe ich. Das entspannt mich sehr und ich bekomme alles aus dem Kopf.“ Für sie war und sei das Schlimmste, „das Anton mich bis heute nicht angesehen oder gelächelt hat“. Auch sprechen kann er nicht. „Er läuft an der Hand, robbt durch die Wohnung oder fährt auf seinem Dreirad.“

Zerrissene Familie

Erst vor einem halben Jahr fand sie durch einen Facebook-Kontakt mit der Mutter eines ebenfalls behinderten Sohnes heraus, was Anton hat. Die Ärzte konnten es ihr 19 Jahre lang nicht sagen. „Er hat einen genetischen Schaden. Ihm fehlt am ersten Chromosom ein Stück.“ Durch die Informationen der Facebook-Bekannten untersuchten die Ärzte Anton erneut und bestätigten die Diagnose. „Ich habe auf die Nachricht mit Sekt angestoßen. Dadurch wurde mir der Druck genommen, etwas in der Schwangerschaft falsch gemacht zu haben.“

Tagsüber (9 Uhr bis 16 Uhr) ist Anton in der Tagesförderstätte des IB in Nieder-Erlenbach. Er kommuniziert mit seiner Umwelt wenig und über Gebärden. Als Schüler war er werktags in einem Internat, am Wochenende zu Hause. „Das hat unsere Familie zerrissen. Einer unternahm etwas mit den Mädchen, der andere blieb bei Anton.“ Sie und ihr Mann hätten viele schwierige Phasen durchlebt, die beide viel Kraft gekostet haben. Nach dem Internat lebte Anton ein Jahr in einem Heim in Weinheim. Dort habe er sich nicht wohl gefühlt. Karen Hofmann vermisst eine direkte Hilfe für Eltern mit behinderten Kindern und Erwachsenen. Sie informierte sich in Internetforen und lernte Daniela Friesenhahn kennen, die für sie zu einer wichtigen Ansprechpartnerin wurde und ihr viel geholfen habe. Diese Hilfe will sie jetzt gern an andere Familien in Vilbel mit behinderten Kindern weitergeben.

Mit ihrem Verein „Pink Wetterau“ setzt Karen Hofmann sich für alternative Wohnformen für Behinderte ein. Gesucht wird in Bad Vilbel für vier Behinderte eine 200 Quadratmeter große, ebenerdige Wohnung mit behindertengerechten Bädern, welche die Heimaufsicht fordere. Die Miete für die von der Grundsicherung lebenden Behinderten, 5,65 Euro pro Quadratmeter, die zahle der Kreis. „Der IB würde die Betreuung übernehmen, darf aber nicht gleichzeitig als Vermieter auftreten.“ Gesucht wird daher ein Investor. „Träger wie die Lebenshilfe, Caritas oder das DRK sind in ihrer Denkweise noch nicht so weit.“ Die Stadt Bad Vilbel habe Hilfe abgelehnt mit der Begründung, sie müsse sich zurzeit um Flüchtlinge kümmern. Doch so eine Wohngruppe wäre ein wichtiges Pilotprojekt für Behinderte.

Nächste Interviewpartnerin von Eva Raboldt ist im HdB-Bistro, Marktplatz 2, am 31. März, 19:30 Uhr, Juliane Zollmann-Lang, Leiterin der Musikschule Bad Vilbel. Seite 3