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Mit Schere und Säge

Karbener Interessengemeinschaft Streuobst veranstaltet Schnittlehrgang

Torben Gelbert, Hans-Dieter Spies und Wolfhart Goethe (von links) arbeiten gemeinsam am richtigen Schnitt. Viel Kraft ist dazu nötig. Foto: Lori
Torben Gelbert, Hans-Dieter Spies und Wolfhart Goethe (von links) arbeiten gemeinsam am richtigen Schnitt. Viel Kraft ist dazu nötig. Foto: Lori

40 Teilnehmer, so viele wie noch nie, haben am Obstbaum-Schnitt- und –verstehkurs des Karbener Vereins Interessengemeinschaft Streuobst (IG) in Karben teilgenommen. Uwe Müller, Gartenmeister aus Wöllstadt, hat die Theorie in der Juice Factory der Kelterei Rapp’s vermittelt und Praxis im Lehrgarten der Kelterei.

Karben. Vorstandsmitglied Anke Behrens erklärt zur Einführung bei einem Glas Apfelsaft, dass Hochstämme, die meist erst nach zwölf Jahren ihren vollen Ertrag lieferten, nur manuell zu bewirtschaften seien. Das bedeute viel Arbeit, Pflege, Kraftaufwand. Um die Kulturlandschaft Streuobst zu erhalten und zu fördern, habe sich der Verein im November 2013 gegründet. 23 Mitglieder gehören ihm mittlerweile an. Die IG Streuobst aus der Taufe gehoben hat der in Karben und für die Kelterei Rapp’s tätige Streuobst-Fachmann Clemens Caesar.

Der Agraringenieur ist im vergangenen Jahr im Alter von 52 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. „Es war für uns alle ein Schock“, sagt Behrens. Sein Vorstandsposten werde während der Hauptversammlung am 7. März neu besetzt. Dem Streuobst haben sich Anke Behrens und ihr Mann Volker, der Vorsitzender des Vereins ist, auch privat verschrieben. Das Ehepaar hat eine Streuobstwiese gepachtet und verwertet die Bio-Äpfel zu Apfelsaft und Marmeladen.

„Wir sind beide Büromenschen. Es ist ein Ausgleich – und wir tun so etwas für die Natur“, sagt Volker Behrens. Und, fügte er hinzu, mehr Bio gehe einfach nicht. Die IG Streuobst bewirtschafte derzeit vier Streuobstwiesen mit etwa 350 Bäumen auf Karbener Gemarkung. Auf den Wiesen finde sich die klassische Streuobstpalette mit Äpfeln, Birnen, Kirschen, Mirabellen, Mispel, Speierling und Zwetschgen.

Der Verein habe die Wiesen 2014 übernommen, nachdem jahrzehntelang keine Pflegemaßnahmen erfolgt waren. Mähen, Mulchen, die Stärkung der Bäume durch Leimringe und Stamm-Anstriche sowie Schnittmaßnahmen gehören zu den Pflegemaßnahmen.

Warum man wie schneiden soll und wie nicht, das wollten auch die meisten Teilnehmer des Kurses lernen. „Mein Vater und ich haben einen Schrebergarten mit Apfelbäumen. Ich versuche so viel wie möglich über die Pflege zu erfahren“, sagt Nora Wehner aus Dietzenbach. Eberhard Klein aus Oberursel hat in Okarben eine Streuobstwiese gepachtet. „Ich möchte Äpfel aus eigenem Bestand haben, um Apfelwein zu produzieren.“ Dorothea Schölzel hat eine Obstbaum-Patenschaft für zwei Apfelbäume in Altenstadt übernommen, um deren Pflege sie sich kümmert. Da kommt ihr der Kurs gerade recht.

Masse und Vielfalt

Einen ähnlichen Grund gibt auch Birgit Scharnagel aus Karben an. Sie besitzt drei Obstbäume im eigenen Garten und traut sich bisher nicht an deren Schnitt heran. Im Lehrgarten zeigt Müller die richtige Vorgehensweise. „Vor dem Schnitt erst die Leitäste festlegen“, sagt er und zeigt dies an einem Hochstamm, der zur Erntezeit einen Weißen Winterglockenapfel trägt. Alle Äste, die über die Waagerechte nach unten gingen, würden Fruchtholz, erinnert er und warnt davor, starke Äste herunter zu biegen.

Ideal sei es, den Baum in eine Harmonie zwischen Ertrag und Zuwachs zu bringen. Sinnvoll sei der Erziehungsschnitt mit drei bis vier Leitästen unten und die Verlängerung als Spindel nach oben, mit Fruchtästen. „Die Spitze sollte über dem Leitast stehen“, sagt Müller und steigt zur Korrektur auf die Leiter. „Die Masse und die Vielfalt macht den Lebensraum Streuobstwiese aus. Sowohl gepflegte als auch ungepflegte Bäume sind wichtig“, sagt der Gartenmeister. Beim Pflanzen von Bäumen müsse man in die Zukunft denken.

Streuobstwiesen seien wieder im Kommen. Es werde viel gepflanzt, doch „Pflegekräfte“ fehlten. Junge Leute pflanzten wieder Apfelbäume, um eigenen Apfelwein zu produzieren. Der erlebe seit etwa 15 Jahren eine Renaissance. Doch, schränkt er ein, nur zehn Prozent der gepflanzten Hochstämme überlebten die nächste Generation. Die ersten zehn Jahre müsse ein Baum intensiv gepflegt werden.