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Nachfolger nicht in Sicht

Für Fußgänger ist dieser kurze Umweg um den Platz vor dem Kurhaus kein Problem. Doch Hans-Joachim Prassel weist daraufhin, dass dabei nicht an die Rollstuhlfahrer gedacht wurde. Foto: Dominik Rinkart
Für Fußgänger ist dieser kurze Umweg um den Platz vor dem Kurhaus kein Problem. Doch Hans-Joachim Prassel weist daraufhin, dass dabei nicht an die Rollstuhlfahrer gedacht wurde. Foto: Dominik Rinkart

Behindertenbeauftragter Hans-Joachim Prassel zieht in den Odenwald

Bad Vilbel. Für Senioren, Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige ist Hans-Joachim Prassel seit Jahren eine feste Instanz und große Hilfe. Nun zieht der Behindertenbeauftragte der Stadt in den Odenwald. Ganz auf ihn verzichten kann Bad Vilbel jedoch nicht.

Es wird Zeit für etwas Ruhe. Seit 1987 lebt Hans-Joachim Prassel in Bad Vilbel.  Mit dem Monatswechsel geht diese Zeit zu Ende. »Ich empfinde es hier als immer enger, lauter, hektischer«, sagt Prassel. Das Haus in Michelstadt hat er mit seiner Frau zusammen einige Jahren lang vorbereitet, nun soll’s im wahrsten Sinne des Wortes ein Altersruhesitz werden.

In der Quellenstadt reißt dieser Wegzug eine große Lücke. Seit 2010 dient Prassel dem Magistrat in verschiedenen Funktionen als Berater in Sachen Barrierefreiheit und den Bürgern als Ansprechpartner für alle Fragen rund um das Sozialrecht. »Der große Beratungsbedarf hat mich selbst überrascht«, sagt er rückblickend.

5400 SCHWERBEHINDERTE
Und jetzt? Bereits im vergangenen Jahr hatte Prassel seinen geplanten Umzug verkündet: »Ich hatte gehofft, dass bis dahin ein Nachfolder eingearbeitet werden kann«, erzählt er. Doch der ist nicht in Sicht. So sehr sich Prassel auf seine wohlverdiente Ruhe im Odenwald freut, es würde ihn schmerzen, sein geschätztes Bad Vilbel und all die Senioren und Menschen mit Behinderungen ohne Beratungsangebot zurückzulassen. »Es gibt allein 5400 Schwerbehinderte in Vilbel«, sagt er, und auch das Sozial- und Schwerbehindertenrecht sei mit den Jahren nicht einfacher zu verstehen.
Ein bisschen, so gibt Prassel zu, fühle er sich schon verpflichtet, loslassen könne er trotzdem. Entstanden ist dabei ein Kompromiss. Einmal im Monat, für drei Stunden, wird er nach Bad Vilbel fahren und den Bürgern für eine Beratung zur Verfügung stehen. »Da freue ich mich drauf«, sagt er.

Sein Amt als Behindertenbeauftragter nennt Prassel einen Fulltime-Job. Ein Ehrenamt war es dennoch. Seine neue Beratertätigkeit wird aber entlohnt. Für einen wichtigen Bestandteil seiner Arbeit scheint es bislang keine Nachfolge zu geben: die Gremienarbeit.

EINMAL UM DEN PARK
Was das bedeutet, zeigt Prassel an einem Beispiel. So wurde im Zuge der Bauarbeiten der neuen Stadthalle der Bereich vor dem Kurhaus vorübergehend abgesperrt – ein Schritt, der ebenso notwendig wie unkritisch ist. Eigentlich. Denn für Fußgänger fällt diese Absperrung kaum ins Gewicht. Sie gehen einfach wenige Meter weiter die Treppe hinunter, am kleinen Teich entlang und auf der anderen Seite wieder die Treppe hoch. Rollstuhlfahrer wie Prassel erleben die Situation jedoch anders. »Ich muss einen großen Bogen durch den Park fahren.« Denn alle nahe gelegenen Rampen seien zu steil. »Solche Dinge sind einfach nicht präsent, man muss immer wieder mahnen.« Egal ob Stadtfeste oder Baustellen – Barrierefreiheit ist immer ein Thema.

Und das Ziel ist ein großes: Inklusion. »Wir sind noch keine inklusive Gesellschaft«, betont Prassel. Bisher gehe es noch darum, die Situationen behindertengerecht anzupassen. Inklusion sei aber das Gegenteil: Die Dinge so zu planen, dass sie für einfach jeden ohne Hindernisse nutzbar sind.

Seit jeher habe er sein Amt als Behindertenbeauftragter parteiübergreifend ausgeübt, sagt Prassel. Der neueste Antrag seiner SPD liege ihm dennoch am Herzen. Sie fordert, Prassels Amt als »Inklusionsbeauftragter« fortzuführen, der die Inklusion zu jedem denkbaren Thema in den Köpfen der Ortspolitiker manifestieren solle. Im Juni soll darüber im Sozialausschuss gesprochen werden. Dafür wird Prassel ein weiteres Mal nach Bad Vilbel kommen. Ein bisschen wehmütig ist er schon. Und irgendwann, so hofft er, kann die Stadt auch ohne ihn an die Belange der Menschen mit Behinderungen in der Quellenstadt denken.

Die nächste Sprechstunde im Rathaus mit Hans-Joachim Prassel finden am Dienstag, 11. Juni, von 12.30 Uhr bis 15.30 Uhr statt. Weitere Termine werden im Veranstaltungskalender der Stadt auf www.bad-vilbel.de veröffentlicht.