Veröffentlicht am

Kitty weiß alles

Publikum ist begeistert vom „Tagebuch der Anne Frank“

Anne Frank (Marlene-Sophie Haagen) erzählt von ihren Ängsten und Sehnsüchten im Versteck. Foto: Eugen Sommer
Anne Frank (Marlene-Sophie Haagen) erzählt von ihren Ängsten und Sehnsüchten im Versteck. Foto: Eugen Sommer

Es dürfte das bekannteste Tagebuch der Welt sein: Die Aufzeichnungen der Anne Frank, die sie zwischen 1942 und 1944 im Versteck in Amsterdam fertigte. Mit großem Erfolg feierte das gleichnamige Theaterstück am Sonntagabend Premiere bei den Burgfestspielen in Bad Vilbel.

Bad Vilbel. Auf der Bühne des Theaterkellers steht eine karge Wand aus Euro-Paletten, es ist kühl im Saal. Ein bisschen diesseitig, fern vom Trubel der Welt: Genau die richtige Atmosphäre für das Schauspiel „Anne Frank“, dessen Titelheldin von Juli 1942 bis August 1944 versteckt im Hinterhaus eines Bürogebäudes in Amsterdam lebte.

Dargeboten wird das Stück bei den Burgfestspielen und feiert Premiere vor vollem Haus. Ein weiß gekleideter Mann sitzt am Rand des Podiums, er trägt Hut und hält ein Akkordeon: Es ist Vassily Dück aus Bad Nauheim, einer der bekanntesten Theater-Akkordeonisten der Region, der das Stück musikalisch begleiten wird.

Eine Freundin fehlt

Wie ein Fels in der Brandung wirkt er, während Anne (Marlene-Sophie Haagen) in einem lebhaften Monolog zu berichten beginnt. Sie erzählt von ihren vielen Freundinnen, darunter Hanneli und Sanne, mit denen sie sich gut verstand. Viele Bekannte hat sie, doch ihr fehlt eine echte Freundin – und wie es aussieht, hat sie sie gefunden. Es ist ihr Tagebuch, das sie zum 13. Geburtstag geschenkt bekommt und „Kitty“ nennt. Anne vertraut Kitty alles an, kann die Stunde kaum erwarten, in der sie ihr schreiben kann.

Schon auf den ersten Seiten wird die beklemmende Situation deutlich, unter der die jüdische Familie seit Anfang der 30er-Jahre leiden muss: Bereits 1933 wanderte der Vater nach Holland aus, kurz darauf folgte die Familie. 1940 besetzen deutsche Truppen die Niederlande, wo die Repressalien gegen die Juden nun ebenfalls beginnen. Anne hält das schriftlich fest. Gleichzeitig schreibt sie über ihre Freundschaften und die Kontakte zu Jungen aus ihrer Klasse.

Kurz darauf taucht die Familie im Hinterhaus unter, wo die Stimmung teils angespannt und genervt ist. Denn nicht nur die Franks leben dort und können nie vor die Tür, sondern auch vier weitere Verfolgte. Es kommt zu Konflikten mit den Eltern, Schuldgefühlen gegenüber ihrer deportierten Freundin Hanneli und riesiger Furcht bei einem Einbruchsversuch. Doch wirkt Anne wie eine Person, die sich nicht so schnell niederdrücken lässt und Pläne für die Zeit nach dem Krieg schmiedet.

Sie will Journalistin und Schriftstellerin werden. Überzeugend interpretiert Schauspielerin Haagen diese lebensbejahende Haltung, indem sie neben der Nachdenklichkeit und Wut dieser Jugendlichen auch deren fröhliche, kesse und verspielte Seite verkörpert.

Normales Mädchen

Ein ganz normales Mädchen mit Träumen und Wünschen, die Teenager heute genauso haben. Eine Zeitlosigkeit, die das Stück durch moderne Elemente anklingen lässt, etwa der Kleidung von Anne: Ringelshirt und Leggings, kombiniert mit altmodischen Schuhen.

Oder durch Dücks Akkordeonspiel, das an damals erinnert – und plötzlich röhrt Anne den Song „Weil ich ein Mädchen bin“. Für die schauspielerische und musikalische Leistung ernten Hagen und Dück langen Applaus und Bravorufe.

Beifall gibt’s auch für Regisseur Ulrich Cyran und Ausstatterin Dorothea Mines. „Ich habe es mir anders vorgestellt, aber es gefiel mir“, sagt Besucherin Doris Peters aus Ortenberg. Sie habe gedacht, das Stück sei sehr traurig, doch seien auch heitere Stellen enthalten gewesen, die ein zwischendurch auch unbekümmertes Mädchen zeigten. „Eine großartige Leistung“,sagt sie. Joana Schönborn, Luqas Bonewitz und Robert Kesternich aus Mainz sind begeistert: „Es war sehr packend. Man hat gesehen, dass Anne kein schüchternes Mädchen war, sondern ein lebenslustiges und pubertierendes.“


Weitere Vorstellungen für diesen Monat stehen täglich vom 19. Mai bis 25. Mai auf dem Spielplan im Burgkeller; Beginn ist von Samstag bis Montag jeweils um 20 Uhr und vom Dienstag bis Freitag jeweils um 12 Uhr. Die weiteren Termine sind unter www.kultur-bad-vilbel.de zu finden. Informationen zu den Vorstellungen und Karten gibt es im Ticketbüro, Klaus-Havenstein-Weg 1.