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Rhein über der Nidda

Bibliothek auf der Bad Vilbeler Brücke bildet Auftakt für Minister-Sommerreise

Seinen Hut gezogen hat der Hessische Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein, als er kürzlich zum Auftakt seiner Sommerreise die Bad Vilbeler Stadtbibliothek besuchte. Die moderne Ausrichtung und die vielfältigen Zielgruppen, die angesprochen werden, machten Eindruck auf ihn.

Bad Vilbel. Direkt an oder gar in der knapp zwei Jahre alten Bibliothek über der Nidda wollten Kulturfachbereichsleiter Claus-Günther Kunzmann, der Erste Stadtrat Jörg Frank (CDU) und Bad Vilbels CDU-Parteichef Tobias Utter Minister Boris Rhein (CDU) nicht begrüßen. „Er soll erst einmal einen Eindruck von der Neuen Mitte bekommen“, ist sich das Empfangskomitee einig, das von Bibliotheksleiterin Monika Wystrach und der für die Kinderwelt zuständigen Mitarbeiterin Nina Schorde komplettiert wird.

Und so stimmen Frank und Kunzmann zunächst das Loblied auf das neue Ensemble an, an dem der Städteplaner Professor Fred Angerer und die beiden Architekten Bernhard Demmel und Gerald Hadler ebenso wie Investor Hansgeorg Jehner maßgeblichen Anteil hatten. „Angerer hat mit seinem Entwurf genau die Proportionen getroffen und die Symbiose von Geschäften und einem urbanen Platz mit Gastronomie geschaffen. Die Bibliothek krönt das Ganze. Wäre sie nicht als Brückenbau entstanden, wäre der Platz zu klein geworden“, schildert Kunzmann.

Dass die Bibliothek angenommen wird, zeigt sich an nackten Zahlen. Bereits das erste vollständige Betriebsjahr 2014 war mit über 139 000 Besuchern ein fantastisches, nach dem ersten Halbjahr 2015 allerdings zeigt die Kurve für dieses Jahr noch weiter nach oben, bereits jetzt sind über 120 000 Kunden in das Haus auf der Niddabrücke geströmt. Auch die Ausleihen sind gewaltig.

360 000 Ausleihen

Im Durchschnitt geht jedes der 47 000 Bestandsmedien acht Mal pro Jahr über die Ausleihetheke, erklärt Kunzmann, 360 000 im Jahr 2014. Von Januar bis Ende Juni 2015 sind es bereits 200 000. Rund 2800 Medien gehören zum Onleihe-Bestand der Bibliothek. Die Nachfrage nach klassischer Buchliteratur und den digitalen Medien wie Hörbüchern, CDs und Blu-Rays sei dabei in etwa gleich hoch, ergänzt Leiterin Wystrach.

Doch das Haus wartet nicht nur, dass Kunden von sich aus kommen. „Bereits von Anfang an war die Vernetzung mit den Kitas und den Krabbelgruppen geplant“, schildert dazu Stadtrat Frank. Mit den „Bücherwürmchen“-Angeboten für die Kleinsten ab eineinhalb Jahren geht es los, es folgen verschiedene Offerten für ältere Kinder bis hin zur Jungen Medien-Jury für das Problemalter, die Pubertät, wenn die Jugendlichen für Bücher das Interesse verlieren.

Architektonische Feinheiten, die Möglichkeit für Schüler, sich auch mit Getränken zu Lerngruppen hier zu treffen und der altersgerechte Kinderbereich stoßen auf das Interesse des Ministers. Auf seine Nachfrage erläutert Kunzmann, dass die Möglichkeit, seinen Kaffee, andere Getränke oder kleine Snacks mitnehmen zu dürfen, bisher zu „keinem Grundsatzproblem“ geführt habe. „Wischen muss man ab und zu, doch das Angebot sorgt für Attraktivität.“

Das bewirkt auch die Öffnung der Bibliothek nach außen. Lesereihen mit verschiedenen Partnern und Gästen wie etwa Historiker Herfried Münkler und Schauspielerin Hannelore Elsner zogen viele Gäste an, die somit die Bibliothek als perfekte Ergänzung zum Einkaufs- und Gastronomieangebot in der Neuen Mitte wahrnähmen.

In Inhalt investieren

Ja, die anfängliche Kritik an dem Bau mit Bürgerbegehren sei verstummt, viele hätten ihre Meinung inzwischen sogar öffentlich revidiert. Rhein: „Bibliotheken sind besondere Orte und bereichern unsere Gesellschaft: Sie sind Bildungseinrichtungen, Orte der Begegnung, Zentren der Kommunikation und Partner für lebenslanges Lernen. Mit der neuen Bibliothek ist gleichzeitig ein städteplanerisches Kunststück gelungen. Durch dieses Bauwerk hat Bad Vilbel zudem einen neuen Mittelpunkt erhalten, der das Stadtzentrum mit dem Kurpark verbindet.“

Doch einen Scheck hat Rhein leider nicht dabei, auch wenn Kunzmann mit einem Hinweis auf eine mögliche Bewerbung für einen Bibliothekspreis anmerkte, dass man dafür weitere – möglichst geförderte – Inhalte benötige. Rhein: „Zuschüsse wären über den Kommunalen Finanzausgleich möglich, doch die Bibliotheken sind vorrangig eine kommunale Angelegenheit. Wenn etwas Neues entsteht, sollte man nicht in den Bau, sondern in den Inhalt investieren. Hier übernehmen wir gerne Verantwortung, das sind toll angelegte Gelder.“ Immerhin: Den Bau der Bibliothek hat das Ministerium mit 395 000 Euro bezuschusst.