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Tanzen auf dem Eis-Das Wort zum Sonntag

Ich habe vor einiger Zeit von einem Brauch gehört, den es im alten Frankfurt gegeben haben soll. Wenn im Winter der Main zugefroren war – das kam nicht oft vor -, wenn alles erstarrte unter der Herrschaft von Schnee und Eis, dann feierten die Küfer ein Fest. Ein Fest auf dem zugefrorenen Main. Sie schmiedeten die Räder für ein Fass, machten Feuer darin und tanzten auf dem Eis, als sei es festes Land. Sie tanzten im Angesicht der Gefahr und der Realitäten, trotzig und fröhlich. Sie streckten dem kalten Winter die Zunge heraus, drehten ihm eine lange Nase und tanzten, als sei Sommer und Kirmes. Ein Kollege von mir fand darin ein schönes Bild für Ostern. Und dem kann ich mich nur anschließen. Denn Ostern ist so etwas wie Tanzen auf dem Eis. Ich erlebe das Sterben, den Tod naher Angehöriger, die Starre, in die mich die Trauer versetzt. Ich erlebe Mutlosigkeit angesichts vieler Herausforderungen im Beruf und im Privaten. Ich spüre, wie ich mich abschließe gegenüber dem Leben und den Menschen. Und in diese Starre, in dieses Sterben hinein kommt das neue Leben. Sonne bricht durch die Wolken und ich tanze auf dem Eis, weil der Tod überwunden ist. Weil Christus erstanden ist. Gott reißt mich heraus, reißt mich mit dem heraus, der gestorben war und nun auferweckt ist. Er schenkt mir neue Zuversicht und Mut für das Leben. Und ich beginne zu tanzen – eher Tanzbär als Ballerina. Aber ich tanze auf dem Eis voll Hoffnung auf leichteren Schritt und er tanzt mit, denn Christ ist erstanden.

Ich erlebe Streit in der Familie, im Freundeskreis und in der Stadt, in der ich lebe. Ich erlebe, wie im Streit die Leidenschaft durchbricht, sich auf jeden Fall durchzusetzen, koste es, was es wolle. Und da kommt er, schenkt mir Liebe, lehrt mich Geduld, gibt mir den Humor, dass ich mich nicht mehr so todernst nehme, nimmt mich an der Hand und zieht mich in den Kreis hinein zu den anderen und wir tanzen gemeinsam. Noch nicht alle im gleichen Takt, aber er gibt sich Mühe mit den Ungeübten. Und so tanzen wir gemeinsam auf dem Eis. Er in der Mitte, denn Christ ist erstanden

Ihr Jens Martin Sautter

Pfarrer der Christuskirche