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Wandel durch Handel

Die Szene steht Uli Rabl vor Augen. In Tibet bettelt eine Frau auf der Straße. Ein chinesischer Polizist vertreibt sie mit Prügel. Rabl hat zum Thema China auch das Schicksal des blinden Oppositionellen Chen Guangcheng vor Augen, der sich mit einer Sammelklage 2005 gegen die Vorschriften zur Familienplanung gewandt hat, verhaftet wurde, bis er freikam. Chen war in der Stadt Linyi tätig, mit der Vilbel eine Städtepartnerschaft anbahnen will.

Bad Vilbel. Rabl suchte die Öffentlichkeit, um über Menschenrechte und wirtschaftliche Beziehungen zu diskutieren. Ein illustres Podium fand sich dazu im Kurhaus. Der Grünen-Bundestagsabgeordneter Omid Nouripur, Jürgen Ratzinger (IHK Frankfurt), Bruno Schoch (Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung) und Dieter Kraft, Grünen-Stadtrat in Bad Homburg, der an einer Städtepartnerschaft des Kurortes mit einer Elf-Millionen-Stadt in China interessiert ist.

Vize-Landrat Helmut Betschel-Pflügel leitete die Diskussion vor nur spärlich besetzten Zuschauerreihen. Rabls These „Vor dem Bruderkuss erst andere Verhältnisse in China“ wurde von den anderen nicht geteilt. Natürlich, das war einstimmig: Die Menschenrechte werden zweifellos mit Füßen getreten, aber …

Kontakte sind wichtig

Dieses Aber machte das Gros der Diskussion aus. Ratzinger, für internationale Kontakte zuständig, betonte die Wirksamkeit des Handels für einen gesellschaftlichen Wandel. Bei den deutschen Exporten liege China mit 60 Milliarden Euro schließlich auf Platz zwei, bei den Importen mit einem Volumen von 80 Milliarden auf Platz fünf. „Durch Handel und Wandel ist in den letzten 30 Jahren die Integration Chinas vorangekommen. Dadurch entstand ein enormer Wohlstand und ein leistungsfähiger Mittelstand“.China sei zunehmend an Kontakten in Deutschland interessiert. In Frankfurt würden permanent chinesische Wirtschaftsdelegationen betreut. „Ich will die Menschenrechte nicht kleinreden, aber der Handel ist auch für die Menschen von Vorteil.“

Dasselbe rhetorische Schema auch bei Konfliktforscher Schoch: „Ja, China exekutiert pro Jahr so viele Menschen wie alle anderen Staaten zusammen, aber hunderte Millionen Menschen sind von Armut befreit. Handel ist nicht Bruderkuss, sondern Handel“. Kraft: „Wir sondieren Partnerschaft mit Menschen, nicht mit Politikern“. Alle warnten vor politischen Kontakten, „aber es ist ein Versuch, wir machen es trotzdem.“ Es werde einen Austausch von zehn Jugendlichen geben, danach werde entschieden. Nouripur stimmte Kontakten zu, argwöhnte aber, in Bad Vilbel stecke eine ganz andere Intention dahinter, nämlich einen Weg zu finden, die Wirtschaftsbeziehungen zu ebnen.

Mehrfach kursierte die Investitionssumme von 700 Millionen Euro, die angeblich in den Vilbeler Quellenpark fließen soll. Ratzinger bemerkte, bei der Ansiedlung chinesischer Unternehmen sei mit äußerster Sorgfalt zu prüfen und offen zu reden. „In Deutschland gibt es Baugenehmigungen nicht in ein paar Tagen über den Tisch.“ Deutsche bürokratische Zeitabläufe seien für Chinesen nicht nachvollziehbar. Im übrigen seien Summen wie 700 Millionen astronomisch. Das gesamte Investitionsvolumen chinesischer Firmen in Hessen habe 2010 etwa 186 Millionen Euro betragen.