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Westerwelle löst Ärgerwelle aus – Basta des Außenministers und FDP-Bundesvorsitzenden heizt die Debatte an • Vertriebene fühlen sich bevormundet

Dass der Ortsverband Dortelweil des Bundes der Vertriebenen (BdV) mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit geht, ist eher selten. Aber der Streit um den Sitz der BdV-Vorsitzenden Erika Steinbach im Rat der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ lässt die Dortelweiler Vorsitzende Renate Bodirsky nicht kalt. Ist Westerwelle deutscher Außenminister oder polnischer Innenminister, fragen sich Vertriebene. BVA-Mitarbeiter Hannes G. Mathias unterhielt sich mit der in Tilsit geborenen Vorsitzenden, die den Ortsverband mit 60 Mitgliedern seit 2001 leitet.

Frau Bodirsky, was empört sie so an den Vorgängen um Erika Steinbach?

RENATE BODIRSKY: Ich bin sehr erstaunt und verärgert, dass der FDP-Bundesvorsitzende und Außenminister Guido Westerwelle dem polnischen Wunsch nachgibt und sich gegen einen Sitz von Frau Steinbach in dem Stiftungsrat ausspricht.

Sie fordern Westerwelle in einer Pressemitteilung auf, seine Meinung zu ändern. Wird ihn das wirklich umstimmen?

BODIRSKY: Herr Westerwelle zeigt eine Überheblichkeit, die der FDP noch sauer aufstoßen wird. Er sollte darüber nachdenken, mit wessen Stimmen er so viele Prozentpunkte bei der letzten Wahl bekommen hat. Mit Geduld ließe sich sicher eine gute Lösung finden.

Sie richten Ihre Mitteilung aber nicht an den Adressaten, sondern an den Hessischen FDP-Vorsitzenden Jörg-Uwe Hahn. Warum?

BODIRSKY: Jörg-Uwe Hahn ist Dortelweiler und uns bestens bekannt. Vielleicht kann er ein gutes Wort für uns einlegen. Die deutsch-polnischen Beziehungen werden ja nicht besser und nicht schlechter, wenn die BdV-Vorsitzende im Stiftungsrat sitzt.

Sinn der Stiftung ist nicht zuletzt Versöhnung. Sollte man nicht deswegen auf eine Provokation der polnischen Seite verzichten nach dem Motto: Der Klügere gibt nach?

BODIRSKY: Frau Steinbach ist die Vorsitzende des BdV, und sie vertritt die Meinung ihrer Mitglieder. Ihr vorzuwerfen, dass sie seinerzeit „gegen die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze“ gestimmt habe, ist eine Frechheit gegenüber der Demokratie. Es entspricht nicht einem demokratischen System, jahrelang für seine freie Meinungsäußerung gerügt und beschimpft zu werden.

Muss die polnische Seite nicht schon die Standortwahl Berlin als Ort für das Dokumentationszentrum der Vertreibung als Provokation begreifen, das die Stiftung aufbauen und betreuen soll? Danzig als Standort des Zentrums, wie einmal vom polnischen Premierminister Donald Tusk ins Gespräch gebracht, wäre das nicht auch ein Angebot zur Versöhnung zwischen Polen und Vertriebenen?

BODIRSKY: Das ist kein Diskussionspunkt mehr. Die Frage ist von der Bundesregierung zugunsten Berlin entschieden. Das ist eine deutsche Angelegenheit, die sich generell mit Vertreibungen auseinander setzt. Berlin ist die Hauptstadt, und gerade wenn Schulklassen einmal im Jahr dorthin fahren, ist das doch der zentrale Platz.