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Zentrum wird komplettiert – Zentrum wird komplettiert – Umweltschützer geben Widerstand auf

Die komplette Bebauung der Karbener Stadtmitte rückt in greifbare Nähe. Die ersten Pläne sind mehr als 40 Jahre alt. Futuristisch wie damals soll die neue Mitte der Stadt jedoch nicht ausfallen. Wohl ein Grund, warum die Umweltschützer ihren Widerstand aufgeben. Einige Hürden stehen dem Vorhaben aber noch im Weg.

Karben. Ums Große und Ganze der Karbener Stadtplanung ging es kürzlich bei der Bürgerversammlung. Das vielleicht entscheidende Detail aber ging ein wenig unter: Die Stadt macht gerade nicht weniger als den Weg frei, endlich ihr Zentrum zu komplettieren.

Die ersten Ideen dafür stammten aus der Zeit der Stadtgründung vor mehr als 40 Jahren. 50000 Einwohner waren für Karben geplant. Betonbrutalismus der 70er-Jahre sollte das Stadtzentrum prägen. Architekten sahen massive Gebäuderiegel von Kloppenheim bis zur Gehspitze vor. Der Autoverkehr sollte auf mehreren Ebenen laufen, eine Kabinenbahn die Bürger befördern.

So etwas blieb den Karbener erspart. Dennoch wachsen die zentralen Stadtteile langsam zusammen. Mit den Bauten von Rewe, Volksbank Frankfurt und Gebrüdern Kling füllt sich derzeit das Stadtzentrum. Dennoch sieht die „Mitte“ weiter unfertig aus: Geprägt wird sie von Feldern.

Mit der gerade vorgestellten, fortgeschriebenen Gesamtstadtplanung wird das ein Ende haben. Die noch freien Flächen im Kern der Stadt sollen in den nächsten Jahren bebaut werden. Um die 800 Menschen sollen nach Vorstellung der Regierung von Bürgermeister Guido Rahn (CDU) einmal im „Baugebiet Innenstadt“ zwischen Luisenthaler und Brunnenstraße wohnen.

Noch vor wenigen Jahren hatte Rahns Regierung sich lediglich getraut, einen Bebauungsstreifen entlang der Bahnhofstraße zu planen. Allein der fiel schon bei der Regionalversammlung durch.

Ein kleineres Baugebiet, die südliche Hälfte der Felder umfassend, stellte Rahn vergangene Woche der Öffentlichkeit vor – ebenso wie eine Woche zuvor den Umweltverbänden. Um die Massivität der Bebauung abzumildern, will Rahn einen Grünstreifen von der Nidda bis zur Bahnhofstraße ziehen. Mit 20 bis 25 Metern Breite sei das Band aber zu klein, sagt Jürgen Becker, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu).

Also hätten die Umweltschützer vorgeschlagen, das Wohngebiet auf die gesamte Fläche auszuweiten, auch jenseits der Brunnenstraße. „Diese Bebauung ist ohnehin für später geplant“, sagt Becker.

Ohne Zweitwagen

Zudem solle dichter gebaut werden: Mehrfamilien- statt Einzelhäuser. So könne der Grünstreifen bis 35 Meter breit werden, sagt Becker. Und er solle nach Süden verlängert werden: zwischen City- und Selzerbrunnencenter hindurch, am Industriegebiet Klein-Karben vorbei. Was dem Frischluftstrom ein wenig helfen könne.

Die Idee gefällt Guido Rahn: Er will den Grünzug von bisher geplanter Bebauung freihalten. „Wir schaffen damit das optische Gefühl, dass nicht alles zugebaut wird.“ Also mehr Grün im Gegenzug zu grünem Licht fürs neue Baugebiet. Als Wohngebiet sei die Stadtmitte perfekt geeignet wegen der kurzen Wege zu Geschäften und allen wichtigen Einrichtungen, sagt Annette Erpenstein, Stadtplanerin im Friedberger Architekturbüro von Michael Frielinghaus. Aus ihrer Hand stammt die Stadtplanung.

Es sei „ein prädestinierter Standort“ für ein grünes Wohngebiet, in dem die Bewohner beispielsweise auf ihren Zweitwagen verzichten, erklärt Erpenstein. „Mit der S-Bahn direkt gegenüber ist der gar nicht mehr nötig.“ Für Neubürger sei das ein wichtiger Spar-Faktor. Und die Stadt könne wachsen, ohne dass der Autoverkehr massiv zunehme. Mit diesen Argumenten hofft die Stadt, die Regionalversammlung im zweiten Anlauf zu überzeugen. Sie muss die Flächen erst als Bauland freigeben. Zwei bis vier Jahre dürfte das dauern, schätzt Guido Rahn.

Aus der Bürgerversammlung will der Bürgermeister eine weitere Anregung aufnehmen: Die Bebauung beiderseits der Bahnhofstraße solle ein wenig von der Fahrbahn abgerückt werden.

„Wir als Stadtplaner stellen uns eher eine Straßenraum-Einfassung durch Häuser vor“, sagt Annette Erpenstein. „Denn das wird ja eine urbane Lage.“ Wenn die Bevölkerung sich aber lieber eine Allee wünsche, „kann man das auch machen“.

Verdeckte Talstation

Unüberhörbar sind auch die Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber der kommenden Architektur – nachdem in jüngster Zeit einige Bauten für Enttäuschung sorgten.

Etwa das Apotheken-Gebäude an der Ecke Luisenthaler Straße, die „Talstation“, sowie wenig inspirierte Bauten dahinter: Mit den derzeit entstehenden Gebäuden werde die Situation schon ein wenig besser, findet Annette Erpenstein. „Besonders die Volksbank hat ja eine gute Bauqualität – und die ,Talstation“ verschwindet dahinter.“ Auch an der Kreuzung von Brunnen- und Bahnhofstraße sei nun ein „markantes, schönes Gebäude“ nötig.

Dieses würde auf dem so genannten Dreiecksgrundstück vor dem Selzerbrunnencenter entstehen. Dieses könnte binnen zwei, drei Jahren bebaut werden, schätzt der Bürgermeister. Bauland ist das Areal bereits. So hält man im Karbener Rathaus die Augen nach einem geeigneten Investor offen.

Es soll passen

Die Bauten an diesem Punkt sollten als Stadteingang attraktiv sein und sich zugleich in die Umgebung mit dem Selzerbrunnencenter einpassen. „Wir wollen hier keinen Riesenklotz und auch kein weiteres Seniorenheim“, sagt Rathauschef Guido Rahn. Deshalb habe man gerade einem Interessenten abgesagt. „Weil seine Planungen nicht zu Karben passten.“

Immerhin sei die Stadt derzeit „in der komfortablen Situation, dass wir das Richtige auswählen können“. (den)