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Zwischenlösung Okarben?

S-Bahn nach Frankfurt für Rollstuhlfahrer unerreichbar - Aktive vom MS-Treff fordern Zwischenlösung

5000 Fahrgäste jeden Tag, doch zum Bahnsteig führen nur Treppen: Für Menschen im Rollstuhl oder Eltern mit Kinderwagen ist der Bahnhof Groß-Karben ein oft unüberwindbares Hindernis. Obwohl Betroffene massiv auf eine schnelle Lösung drängen, deutet sie sich nicht an. Nun überlegen die Karbener Rollstuhlfahrer, wie sie noch mehr Druck machen können.

 

Karben. Mit der S-Bahn nach Frankfurt fahren? Was für Tausende Menschen jeden Tag selbstverständlich ist, ist für Peter Wolf-Schwalm aus Karben ein Ding der Unmöglichkeit. Er leidet an Multipler Sklerose (MS). Die Nervenentzündung kettet ihn an seinen Rollstuhl. Weil der S6-Bahnsteig in die Metropole nur über Treppen zugänglich ist, ist der Zug für Wolf-Schwalm unerreichbar.

Gegen diesen Zustand machen Peter Wolf-Schwalm und seine Mitstreiter vom Karbener MS-Treff mobil. Denn es gehe nicht nur um Kranke und Alte, erinnert Angelika Link, die ebenfalls nur per Rollstuhl mobil ist. „Es geht auch um Eltern mit Kinderwagen oder um Menschen mit Koffern, die nicht so schwer tragen können.“

900 Unterschriften

Zehn Monate ist es her, dass die Betroffenen und Aktive vom örtlichen Sozialverband VdK eine Liste mit 900 Unterschriften an Bürgermeister Guido Rahn (CDU) übergeben haben. Die Unterstützer fordern einen schnellen barrierefreien Umbau des Bahnhofs Groß-Karben.

Dieser Umbau ist bereits fest geplant: Er soll während des Ausbaus der S-Bahn-Strecke Frankfurt–Friedberg miterledigt werden. Die Arbeiten dafür haben im Abschnitt südlich von Bad Vilbel im vergangenen Jahr begonnen. Für den Nordabschnitt mit Karben darin aber läuft noch immer das Genehmigungsverfahren.

Das Land will den Ausbau zwar ab 2023 binnen fünf Jahren hinbekommen. Doch daran glaubt selbst der Bürgermeister nicht: Realistisch werde das nichts vor 2030, schätzt er. Mit der Unterschriftenliste der Betroffenen in der Hand, ist er in den vergangenen Monaten bei Bahn und Land vorstellig geworden, hat Klinken geputzt. Er bekam nur Absagen. Das Problem: Der Vorab-Einbau des ohnehin geplanten Fahrstuhls aus dem Fußgängertunnel zum Bahnsteig scheitert am bisher mangelnden Platz an der Oberfläche. Und auch der vom VdK angeregte Einbau eines Treppenlifts scheitert an mangelndem Platz im Treppenbereich – dort wären sonst die Mindestmaße für die Nutzung als Fluchtweg nicht mehr gegeben.

Blamabler Zustand

Die Gründe kann Peter Wolf-Schwalm durchaus nachvollziehen. „Aber irgendwer muss doch etwas tun, wir können doch nicht noch ein Jahrzehnt oder noch länger warten.“ Das sieht auch Ellen Benölken vom VdK so: „Der Zustand ist blamabel, besonders für eine so stark frequentierte Station. Es muss eine Zwischenlösung geben.“ Wie diese aussehen kann? Benölken will nun Kontakte zu Fachleuten des VdK auf Landesebene aktiveren, damit diese sich die Situation vor Ort anschauen. Auch will sie auf Landesebene Politiker ansprechen und darauf drängen, dass diese sich mit dem Problem befassen. Ebenso wollen sie und Wolf-Schwalm sich erneut mit dem Bürgermeister zusammensetzen und überlegen. Denn, das räumt der MS-Kranke ein, bisher habe er selbst die Station Okarben noch nicht ausprobiert. „Die soll ja barrierearm sein, ich will das ausprobieren.“

In der Tat sind die Zugänge zu den Bahnsteigen dort ohne Treppen möglich. Dass der Bahnhof außerdem mit der neuen Buslinie 76 seit Mitte Dezember auch aus der Innenstadt erreichbar ist, haben Peter Wolf-Schwalm und Ellen Benölken noch gar nicht auf dem Schirm. Ob es nicht eine sinnvolle Zwischenlösung sein könnte, die Busanbindung nach Okarben zu verbessern? Dann könnte ganz Karben über diesen Bahnhof auch vor dem großen Ausbau schon per S-Bahn barrierefrei erreichbar sein. „Darüber sollten wir mit dem Bürgermeister sprechen“, findet Benölken. Wolf-Schwalm nickt.

Er hat aber eine andere Präferenz: Der Rollstuhlfahrer fordert, dass ein zusätzlicher Bahnsteig westlich von Gleis drei gebaut werden solle, auf der Kloppenheimer Seite. „Von dort könnte man den Bahnsteig ja ebenerdig erreichen.“ Dieser müsste natürlich wieder weg, wenn die S-Bahn-Strecke ausgebaut wird. Ob das dann nicht zu teuer wäre? Peter Wolf-Schwalm dreht den Kopf zur Seite. „Ich will nur meine Freiheit, hinzukommen wohin ich will, ohne jedes Mal auf fremde Hilfe angewiesen zu sein“, sagt der Karbener. „Ich möchte nicht ständig bitten und betteln.“ (den)