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Zufällig Organist geworden

Seit vielen Jahren begleitet Herbert Helfrich Gottesdienste an der Orgel – nicht nur in seinem Wohnort Burg-Gräfenrode, sondern auch in anderen Karbener Stadtteilen. Foto: Stavenow
Seit vielen Jahren begleitet Herbert Helfrich Gottesdienste an der Orgel – nicht nur in seinem Wohnort Burg-Gräfenrode, sondern auch in anderen Karbener Stadtteilen. Foto: Stavenow

Karben. Herbert Helfrichs Terminplan am Osterwochenende ähnelt dem eines Pfarrers. Im Handy ist jeder Einsatz akribisch gespeichert, denn wenn der Burg-Gräfenröder nicht zur Stelle ist, dann gibt es auch keine Orgelmusik im Gottesdienst.
Erscheint kein Organist zum Gottesdienst, wird zur Not auf Ersatzmusik vom Band zurückgegriffen, was aber gerade zum Osterfest niemand möchte. »Pfarrerin Nadia Burgdorf hat so viele Termine, und wir sind ja im Team unterwegs«, sagt Organist Herbert Helfrich und lacht.
Konkret heißt das: Am Karfreitag wird der 79-Jährige um 11 Uhr an der Orgel in der Roggauer Kirche sitzen und den Gottesdienst von Nadia Burgdorf begleiten. Am Samstag beginnt um 20.15 Uhr an der Roggauer Oberburg die Osternacht mit Gesang und Osterfeuer. Am frühen Morgen des Ostersonntags um 5.45 Uhr spielt Helfrich die Orgel in Rendel.
Besonderheiten
der Orgeln

Ein anstrengendes Wochenende mit wenig Schlaf. »Das stört mich überhaupt nicht«, sagt Helfrich.
Die Orgeln der Karbener Kirchen und deren Besonderheiten und Tücken kennt Herbert Helfrich mittlerweile ausgesprochen gut. Seit etwa 30 Jahren begleitet er Gottesdienste in den Gotteshäusern an der »Königin der Instrumente«. »Und das, obwohl ich gar kein Organist, sondern Pianist bin«, sagt er. Der Zufall war es, der Helfrich, der zu dieser Zeit noch Lehrer am Georg-Büchner-Gymnasium in Bad Vilbel war und den Vilbeler Chor »zwischenTöne« leitete, diesen musikalischen Nebenjob verschaffte. »Wir waren gerade nach Burg-Gräfenrode gezogen und besuchten den Gottesdienst. Und da stand der damalige Pfarrer Fröhlich plötzlich ohne Organisten da.« Helfrich sprang ein und blieb dabei. Die Verbindung zwischen Musik und Religion war ihm zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr fremd, denn immer wieder war er mit seinem Chor auch in Kirchen aufgetreten. Seine Einsätze in den Karbener Kirchen – meist an der Orgel, immer wieder aber auch am Klavier – wurden mit der Zeit immer mehr und regelmäßiger. In normalen Monaten spielt Helfrich etwa zweimal im Gottesdienst. Er ist Minijobber.
»Für den Einsatz bei einem normalen Gottesdienst werden zweieinhalb Stunden angerechnet – inklusive Vorbereitungszeit. Das Honorar richtet sich nach der Ausbildung desjenigen, der spielt. Wer keine Ausbildung hat, bekommt für seinen Einsatz etwa 70 Euro«, informiert die Vorsitzende des Kirchenvorstands der Gesamtkirchengemeinde Karben, Ina Lauster-Ulrich. Auf sieben Pianisten-Minijobber – vom Schüler bis zum Rentner – kann die Kirchengemeinde derzeit zurückgreifen. Doch das reicht nicht. »Wir müssen 15 Gottesdienste im Monat besetzen, hinzu kommen Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen und Gottesdienste in den Altenheimen«, sagt Ina Lauster-Ulrich.
Dabei aus Spaß und Überzeugung
Darüber hinaus kann nicht jeder Pianist an jedem Wochenende oder werktags, »und manche möchten auch nur in der Kirche am Wohnort spielen, weil sie nicht mobil sind«.
Aus diesem Grund werden dringend Klavierspieler für die Gottesdienste gesucht. »Die Lieder werden mit dem Pfarrer abgesprochen und können vorher geübt werden. Das Orgelvor- und -nachspiel kann frei gestaltet werden«, sagt Helfrich. Wer sich bewirbt, sollte gut Klavier spielen können. »Aber er muss auch die Traute haben, vor Publikum zu spielen. Sollte man mal einen Fehler machen, muss man improvisieren können«, sagt Helfrich und gibt noch etwas zu bedenken: »In Roggau sollten die Musiker relativ fit sein, denn die Treppe zur Orgel hoch ist steil. Zur Not gibt es aber auch einen Aufgang über die Empore.«
Auf die Frage, warum er selbst noch immer dabei ist, muss Herbert Helfrich einen kleinen Moment überlegen. Leidenschaft, nein, das sei nicht das richtige Wort. »Ich mache es aus Spaß, aus Spaß und Überzeugung.« Von Janine Stavenow