
Bad Vilbel/Karben. Jahrzehntelang haben die Städte Karben und Bad Vilbel die Kosten für ihre Suchtberatung selbst getragen. Für die Suchtberatung sei eigentlich der Wetteraukreis zuständig. Seit dem 1. Januar ist das anders. Beide Städte zahlen nur noch für fünf Stunden pro Woche. Das könnte sich aber wieder ändern.
Seit Juni 1993 haben die Städte Karben und Bad Vilbel die Suchtberatung in ihren Kommunen finanziert. Sie erhielten nur einen kleinen Zuschuss vom Wetteraukreis, obwohl die Finanzierung der Suchtberatung im Wetteraukreis eigentlich eine Aufgabe des Kreises ist. Als Lutz Illhardt, der in beiden Städten die Suchtberatung übernommen hatte, in den Ruhestand ging, haben die Verantwortlichen das Konzept nochmals überdacht. Es wurde ein neuer Vertrag mit dem Zentrum für Jugendberatung und Suchthilfe für den Wetteraukreis (ZJSWK) aufgesetzt, der zum 1. Januar in Kraft getreten ist.
Nicht immer
vor Ort
Somit werden vonseiten der Städte nur noch fünf Stunden in der Woche finanziert. Die Folgen: Die Mitarbeiter des ZJSWK sind nicht mehr an festen Tagen vor Ort. Im vergangenen Jahr, bevor Illhardt in den Ruhestand ging, war er pro Woche an zwei Tagen in Karben und an drei Tagen in Bad Vilbel. »Es ist Blödsinn, da zu sitzen, wenn wir nur noch fünf Stunden da sind. Es ist ein Viertel von dem, was wir früher angeboten haben«, sagt Beatrix Falkenstein, Leiterin des ZJSWK. Deswegen könnten nur noch telefonisch Termine vereinbart werden. Falkenstein kann die Städte Karben und Bad Vilbel verstehen. Schließlich werde die Suchtberatung in Friedberg, wo das ZJSWK sitzt, voll vom Wetteraukreis bezahlt. In Bad Vilbel und Karben werden jedoch nur fünf Prozent der Kosten vom Kreis übernommen. »Es ist bedauerlich«, sagt Falkenstein. Denn nicht jeder Klient könne nach Friedberg zur Beratung kommen, und in fünf Stunden könnten sie nur fünf Klienten betreuen. So fehle das Hilfsangebot, das über Jahre aufgebaut wurde. »Wir machen eine Lücke auf, die nicht aufgemacht werden müsste.«
Falkenstein betont, dass das ZJSWK und die Städte nicht im Bösen auseinandergegangen seien. Dennoch gibt es weniger Angebote für Menschen, die von Sucht betroffen sind. »Wir hatten die Hoffnung, dass der Wetteraukreis die Zuschüsse erhöht«, sagt Turgay Taskiran, Fachbereichsleiter Soziales, Senioren, Jugend, Kultur und Sport bei der Stadt Karben. Als dies vom Wetteraukreis abgelehnt wurde, habe man sich in Absprache mit der Stadt Bad Vilbel dazu entschieden, das Angebot zu reduzieren. Denn: »Es ist eine Aufgabe des Wetteraukreises«, macht Bad Vilbels Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm deutlich. »Wir finden es eine tolle Sache, dass wir eine Lösung gefunden haben.«
Zusätzlich zu den festen Stunden in der Woche sollen die Angebote auf Märkten und Festen bestehen bleiben, sagen Taskiran und Müller-Grimm. Wie dies abgerechnet werden soll, ist laut Taskiran noch nicht geklärt.
Für die Suchtberatung in Karben ist mittlerweile Simone Sannig zuständig. An die 20 Klienten betreut sie. »Der Zulauf ist groß«, sagt Sannig. Unter ihnen sind Betroffene, aber auch Angehörige. »Es ist eine Jonglage, die Menschen gut versorgen zu können.« Denn Klienten, die zur ambulanten Nachsorge kommen, müssen nahezu wöchentlich kommen. Momentan seien das drei in Karben. Somit blieben für die anderen Klienten lediglich zwei Stunden in der Woche.
Das bestätigt Gerhard Rauschenberg, der die Suchtberatung in Bad Vilbel übernommen hat. 25 Klienten betreue er aktuell – 16 mit akuten Suchtproblemen, sechs Angehörige und drei in der ambulanten Suchtnachsorge. »Es ist schön, dass fünf Stunden finanziert werden, aber auch für Bad Vilbel reicht das nicht aus.« Rauschenberg sagt aber auch, dass er nicht mehr Klienten in Bad Vilbel betreuen könne. »Es ist im Moment nicht so, dass ich sage ›Fahrt nach Friedberg‹.« Wenn noch mehr kommen würden, könne das aber passieren.
Angebot nicht
ganz aufgeben
Taskiran sagt, dass die Städte vorerst die Entwicklung in diesem Jahr betrachten wollen. Gegebenenfalls könne er sich eine Aufstockung dann wieder vorstellen. Gleiches gelte, wenn sich der Wetteraukreis bereit zeige, mehr Angebote zu finanzieren. »Ich denke, zwischen 30 und 50 Prozent sollten wir gesprächsbereit sein«, antwortet er auf die Frage, wie viel der Kreis tragen müsste.
Taskiran sagt, dass die Stadt das Angebot nicht ganz aufgeben wollte. »Es ist wichtig, das Angebot zu halten und sogar auszubauen«, sagt Sannig. Für Müller-Grimm reicht das Angebot aus. Es gebe weiterhin die Suchtberatung der Caritas, die verschiedenen Beratungsstellen des ZJSWK zum Beispiel in Friedberg könnten aufgesucht werden, und die Bad Vilbeler und Bad Vilbelerinnen könnten nach Frankfurt oder Bad Homburg fahren.
Der Wetteraukreis nehme seinen gesetzlichen Auftrag im Bereich der Suchthilfe sehr ernst und halte mit dem »Zentrum für Jugendberatung und Suchthilfe« in Friedberg ein zentrales Hilfsangebot für Betroffene vor, teilt Kreispressesprecherin Deliah Werkmeister mit. Hierfür stelle der Kreis Mittel in Höhe von rund 500 000 Euro bereit. »Das Zentrum steht allen Menschen offen, die im Wetteraukreis wohnen, und berät nicht nur persönlich, sondern auch telefonisch sowie online.«
Der Wetteraukreis unterstütze zudem die Arbeit der Außenstelle des Zentrums in Bad Vilbel und Karben mit 5000 Euro pro Jahr. Grundlage hierfür ist eine Vereinbarung aus den 1990er Jahren.
Wie der Zuschuss in Höhe von 500 000 Euro aufgeteilt werde – also ob etwa künftig mehr Mittel in die Arbeit der Außenstellen fließen sollten –, bleibe darüber hinaus stets dem Träger überlassen.
Von Jennifer Ningel