Zwei Jahre ist es her, dass die Stadt Karben ihren Wald am Enzheimer Kopf in Altenstadt verkaufte. Nun sorgt der Verkauf für Ärger: Die Natur- und Vogelschutzgruppe fordert von der Stadt einen Wertausgleich für ihre Schutzhütte in dem Wald.
Karben. Zum Enzheimer Kopf haben die Naturschützer eine enge Beziehung. Über 300 Nistkästen haben sie dort installiert und die Rote Waldameise wieder angesiedelt. „Wir haben eine Brandgranate entsorgen lassen und den Wald von illegalen Ablagerungen befreit“, erklärt Wilhelm Fritzges. Er ist der Kopf der Natur- und Vogelschutzgruppe Lindheim. So sehr die Naturschützer ihren Wald auch zu ihrer Idylle gemacht haben: Nun haben sie Sorgen. Und die bereitet ihnen die ferne Stadt Karben.
Im Dezember 2011 verkaufte Karben seinen historisch gewachsenen Waldbesitz am Enzheimer Kopf. 46 Hektar Buchenwald auf Altenstädter Grund gingen in den Besitz des Niddaer Landwirts Claus Karl August Fischer über. Darin enthalten: die zwei Schutzhütten der Naturschützer und der Jäger. Wegen des Eigentümerwechsels pochen die Naturschützer nun auf Entschädigung in Höhe des Brandwertes von 37000 Euro, erklärt Wilhelm Fritzges. Den Sachwert der rein ehrenamtlich 1974 errichteten, 1980 erweiterten und über Jahrzehnte in Schuss gehaltenen Unterkunft schätzen sie sogar auf 40000 Euro ein. „Nach herrschender Rechtsprechung haben wir bei Änderung des Eigentumsverhältnisses ein Recht auf Abfindung nach dem Verkehrswert“, sagt Fritzges.
Per Brief meldete der Verein seine Ansprüche im Karbener Rathaus an. Von dort aber gab es ein klares Nein: Die Stadt beruft sich auf eine rechtliche Stellungnahme seitens des Hessischen Städte- und Gemeindebundes (HSGB). Es spreche einiges dafür, dass sich die Hütte nicht auf den Verkehrswert des Grundstücks beziehungsweise eventuell sogar wertmindernd ausgewirkt habe, heißt es im Schreiben vom 4. Februar. Es sei davon auszugehen, dass etwaige Ansprüche zwischenzeitlich verjährt seien.
Klage angedroht
Die HSGB-Stellungnahme halten die Karbener unter Verschluss, erklärt Fritzges: Selbst der Gemeinde Altenstadt werde diese nicht zur Verfügung gestellt – unter Hinweis auf die Auseinandersetzung mit der Gruppe. Deshalb droht der Vorsitzende: „Wenn innerhalb der nächsten 14 Tage kein Entschädigungsvorschlag im Gespräch zustande kommt, reichen wir Klage beim Landgericht ein.“
Denn durch den Eigentümerwechsel seien Nachteile für die Lindheimer Naturschützer entstanden, erläutert der Vorsitzende. Zwar könnten diese die Hütte nach wie vor als Versammlungsraum und Lager nutzen. Doch brenne sie ab, erhalte der neue Grundeigner Fischer den Brandwert erstattet, ebenso wie die Pacht, da die Naturschützer nicht mehr Eigentümer seien. Im Streitfall könne die Hütte also weder ab- noch neu aufgebaut werden. Dass Landwirt Fischer überhaupt den Wald inklusive Hütte habe kaufen können, ohne dass der Verein unterrichtet wurde: für Vorsitzenden Fritzges und seine Naturschützer ist das völlig unverständlich.
Im Karbener Rathaus sieht Bürgermeister Guido Rahn (CDU) dagegen die rechtliche Lage anders: Grundsätzlich gehörten alle festen Aufbauten dem Grundstückseigentümer. Und die Vogelschutzgruppe habe eben nie etwas anderes mit der Stadt Karben vereinbart. „Bezüglich der Nutzung des Enzheimer Kopfes gibt und gab es keinen Vertrag zwischen der Stadt und der Vogelschutzgruppe.“ Die einzige Vereinbarung sei ein fast 40 Jahre altes Schreiben aus Karben, in dem die öffentliche Hand mitteilt, dass sie nichts dagegen habe, wenn die Gruppe dort eine Schutzhütte auf kommunalem Besitz errichte.
Rahn will vermitteln
Beim Bau der Hütte sei nicht geregelt worden, was im Fall der Beendigung der Nutzung oder des Verkaufs des Grundstücks erfolgen soll. Laut Rahn hätten die Vogelschützer ein Erbbaurecht für sich eintragen lassen müssen. Auf der anderen Seite habe die Gruppe das städtische Grundstück über mehrere Jahrzehnte kostenfrei nutzen dürfen. Nach Ansicht des Bürgermeisters bestehe keine Grundlage für eine Entschädigung, zumal in den letzten Jahrzehnten keine Pacht für die Grundstücksnutzung gezahlt worden sei. „Die Stadt hat also keinen Nutzen aus der Schutzhütte gehabt.“ Auf eine Eskalation will der Rathauschef es dennoch nicht ankommen lassen. Schließlich habe sich faktisch an der Situation der Hütte ja nichts geändert. „Wir werden nochmals ein direktes Gespräch mit den Vogelschützern suchen“, kündigt Guido Rahn an.
Eine Lösung sei durchaus möglich: „Der jetzige Eigentümer ist bereit, den Vogelschützern weiterhin die Hütte zur Nutzung zur Verfügung zu stellen.“ Damit sich die Vogelwelt am Enzheimer Kopf weiter auf Wilhelm Fritzges und seine Mitstreiter verlassen kann.