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Archäologie zum Greifen nah

Fundstücke aus verschiedenen Epochen können bestaunt werden. Dazu beantworten die Fachleute der Grabungsfirma WiBA die Fragen der Besucher. Foto: Jürgen Schenk
Fundstücke aus verschiedenen Epochen können bestaunt werden. Dazu beantworten die Fachleute der Grabungsfirma WiBA die Fragen der Besucher. Foto: Jürgen Schenk

Karben. Der Boden in Karben steckt voller Geheimnisse und Überreste aus der Vergangenheit. Deswegen befassen sich Archäologen bereits seit 40 Jahren mit dem Gebiet in der südlichen Wetterau. Mit einem »Tag der offenen Grabungen« wurden nun die neusten Funde in Okarben präsentiert.
Um die historische Besiedelung des Karbener Raumes sichtbar zu machen, bräuchte man eigentlich nur einen Erdspiegel. Vermutlich würden dann viele etwas unter ihren Füßen finden. Da aber wohl niemand dieses mystische Schatzsuchergerät zu Hause im Schrank hat, müssen es die Archäologen mit geomagnetischer Ortung regeln. Und man könnte fast die Uhr danach stellen: Karbens archäologische »Schatzkiste« öffnet sich immer wieder bei Forschungen unter der Erde.
Grabungen seit den 1980er Jahren
Vor allem am Warthweg, zwischen Rewe-Center und Main-Weser-Bahn, wurden gleich mehrere Niederlassungen aus unterschiedlichen Zeitaltern entdeckt. Begonnen hatten die Grabungsaktivitäten bereits in den 1980er Jahren. Damals war, wie später beim Bau der Karbener Nordumgehung, ganz in der Nähe ein Gräberfeld aus merowingischer Zeit (5. bis 8. Jahrhundert) gefunden worden.
Geografisch betrachtet gehört das Gebiet um Haaresbreite noch zur Gemarkung Okarben. Das bedeutet, dass sich Okarben ab jetzt den Nimbus »ältester Siedlungsort« in Karben ans Revers heften darf. Denn alle Fachleute sind sich einig: Reste von Holzpfosten im Erdreich und Keramikfunde deuten auf eine frühe Ansiedelung während der Bandkeramikerzeit hin. Okarben darf damit auf über 7000 Jahre Siedlungsgeschichte stolz sein. Die ersten Siedler waren sogenannte Linearbandkeramiker. Sie lebten vom Ackerbau und bewohnten, zusammen mit ihren Tieren, einfache Holzhäuser.
Bei dieser Ausgangssituation konnte es kein Zufall sein, dass sich Okarbens Ortsvorsteher Sebastian Wollny und dessen Stellvertreter, Gerald Schulze, am vergangenen Samstag beim »Tag der offenen Grabung« unter die Besucher mischten.
Das in großer Zahl erschienene Publikum wurde von den Archäologen Dr. Jörg Lindenthal und Dr. Hardy Prison sowie von Grabungsleiterin Dr. Katharina Mohnike (Grabungsfirma WiBA) über die Ebene geführt und mit Informationen versorgt.
An einem Tisch waren verschiedene Fundstücke ausgelegt, die angefasst und inspiziert werden durften. Durch den Lärm einer nahe gelegenen Baustelle fiel es den Geschichtsinteressierten allerdings recht schwer, jedes Wort der Experten zu verstehen.
Kreisarchäologe Lindenthal verdeutlichte noch einmal die enorme zeitliche Dimension zwischen den einzelnen Siedlungsphasen. »Zwischen Mittel- und Jungsteinzeit lagen Tausende von Jahren«, erklärte er. »Natürlich wussten die hier sesshaften Menschen nichts von der Existenz früherer Bewohner.«
Eine kleine Sensation seien die 18 bisher freigelegten Bestattungen aus dem Endneolithikum (2800 bis 2200 v. Chr.). Normalerweise treffe man diese nur einzeln oder in kleinsten Gruppen an. Bilder der Grabstellen zeigen die Verstorbenen in gehockter Stellung. »Die aktuellen Untersuchungen in Karben bilden einen wichtigen Beitrag für die Erforschung des Endneolithikums in Hessen«, sagte der Kreisarchäologe.
Erneut römische
Überreste gefunden

Römische Funde auf dem 13,6 Quadratmeter großen Areal belegen einmal mehr die Existenz eines frühkaiserzeitlichen Marschlagers. Entdeckt wurde es bereits 2014 bei Untersuchungen zur Nordumgehung. Die räumliche Nähe zum Kastell Okarben spielt eine entscheidende Rolle. Vor zwei Jahren wurde bei Grabungen im Ort selbst ein römischer Fassbrunnen freigelegt. Selbiges ist den Archäologen jetzt auch am Warthweg gelungen. Der Brunnen befand sich interessanterweise genau da, wo das Umfeld noch immer feuchter ist als an anderen Stellen. Dadurch konnten im Wasser »konservierte« Objekte wie Holzteile, Tierknochen sowie Reste von Insekten und Gräsern geborgen werden und zur weiteren Untersuchung gelangen.
An den Gräbern aus der Merowingerzeit hätten sich wohl schon im frühen Mittelalter Raubgräber zu schaffen gemacht, vermutete Lindenthal. Übrig geblieben seien unter anderem ein Knochenkamm, Glasperlen und eine Lanzenspitze.
Bürgermeister Guido Rahn kündigte an, dass die Ausgrabungen möglicherweise noch ein Jahr weitergehen könnten. Von Jürgen Schenk