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Das Untertor ist aufgetaucht

Horst Preißer, Adolf Koch und Friedrich Schwaab (von links) haben jede Menge Gesprächsstoff, wenn sie an der Baustelle in den Untergrund sehen. Hier kommt das Untertor, ein Teil der Petterweiler Befestigungsanlagen, ans Tageslicht. Foto: Schenk
Horst Preißer, Adolf Koch und Friedrich Schwaab (von links) haben jede Menge Gesprächsstoff, wenn sie an der Baustelle in den Untergrund sehen. Hier kommt das Untertor, ein Teil der Petterweiler Befestigungsanlagen, ans Tageslicht. Foto: Schenk

Karben. Alle Überlieferungen haben sich als wahr herausgestellt: Da, wo man es vermutet hatte, ist in Petterweil das historische Untertor gefunden worden. Nach den Ausgrabungen des Obertores und mehrerer Brunnen schließt sich damit der Kreis.
Wieder haben die Arbeiten am Kanalnetz der Petterweiler Ortsdurchfahrt den Blick in die Vergangenheit freigelegt. Das Untertor, auch die Unterpforte genannt, befindet sich an der Ecke Rodheimer Straße/Berenger Straße. Beim Blick in die Baugrube ist das Mauerwerk gut zu erkennen.
Horst Preißer, Adolf Koch und Friedrich Schwaab, drei Kenner Petterweils, stehen an der Baustelle und verfolgen die Arbeiten. Auf der anderen Seite beobachtet eine Grabungsleiterin der Berliner Firma AAB (Archäologische Ausgrabungen und Bauprojektbetreuung), ob die Baggerschaufel noch etwas Interessantes zutage fördert.
Alle sehen, wie das Gerät ein altes Kanalrohr zertrümmert und anschließend die Einzelteile nach oben transportiert. Archäologisch wertvolle Erkenntnisse sind an dieser Stelle nicht mehr zu gewinnen. Zuvor war das Fundament über einen längeren Zeitraum auf Alter und Beschaffenheit untersucht worden.
Ortsbefestigung aus dem Jahr 1394
Nach allem, was man bisher weiß, ist das Untertor zusammen mit dem Obertor und den anderen Elementen der mittelalterlichen Ortsbefestigung um das Jahr 1394 herum entstanden. Die vermauerten Steine sind identisch mit denen des Obertores. »Der Erhaltungsgrad des Gemäuers ist aber nicht so gut«, erklärt Horst Preißer. »Eine komplette Freilegung hätte sich nicht gelohnt.« Der Geschichtsexperte schätzt die Grabungstiefe auf ungefähr 3,50 Meter, wobei die ersten Steine des Fundaments nur 20 bis 30 Zentimeter unterhalb der Straßenoberfläche liegen.
Auch Stadtrat Friedrich Schwaab sieht keine Möglichkeit zur Objekterhaltung. Genau wie beim Obertor im vergangenen Jahr, das in einem vorangegangenen Bauabschnitt entlang der Ortsdurchfahrt entdeckt worden ist, müsse das Loch wieder verfüllt werden. Anhand von Skizzen und Fotos könne man die wichtigen Zusammenhänge jedoch dokumentieren, archivieren und sie somit Interessenten später verfügbar machen.
»Für die archäologische Begleitung haben die Stadt Karben und Hessen Mobil zusätzlich 80 000 Euro investiert«, teilt Schwaab mit. »Das zeigt einmal mehr, wie sich das Bewusstsein für die Ortshistorie im Vergleich zu früher verändert hat.« Nach dem Krieg sei es nur darum gegangen, so schnell wie möglich zu bauen, ohne auf die Hinterlassenschaften der Geschichte zu achten.
»Als Bub habe ich hier in einem Graben gespielt«, erinnert sich der ehemalige Ortsvorsteher Adolf Koch. »Dieser Graben ging in östlicher Richtung weiter bis zum Schloss. In den 1960er-Jahren fanden an Ort und Stelle Kanalarbeiten statt, vom Untertor sprach damals aber niemand.« Der von Koch erwähnte Graben gehörte zur Petterweiler Verteidigungsanlage. In früheren Zeiten war er mit Wasser gefüllt. Gespeist wurde er aus zwei Flutgräben, die in westlicher und südlicher Richtung verliefen. Vor dem Untertor führte eine Brücke über den Wassergraben. Ein gezeichneter Rekonstruktionsversuch des Historikers Dr. Dieter Wolf, basierend auf den Parzellenkarten der Petterweiler Gemarkung, weist zudem noch einen vorgelagerten Wall (Haingraben) auf.
Bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein war die Pforte mit einer Zugbrücke ausgestattet. Bei der Brandschatzung des Dorfes im Jahr 1635 nahm das Gebäude großen Schaden. Nur der Torbogen und die beiden Torflügel sollen stehen geblieben sein. »Im Untertor war bis ins 19. Jahrhundert hinein eine Mietwohnung vorhanden, die gegen einen geringen jährlichen Betrag an weniger reiche Bewohner vermietet wurde«, schreibt Wolfhard Bornschein in der Ortschronik »1200 Jahre Petterweil«. Um das Jahr 1812 sei das stark beschädigte Untertor abgerissen worden.
Der Bezirksarchäologe Hardy Prison teilt auf Anfrage mit, dass die baubegleitenden archäologischen Arbeiten weiter andauerten und erst in einigen Wochen abgeschlossen seien. Dann werde man in einem Abschlussbericht die Ergebnisse vorstellen. Von Jürgen Schenk