Veröffentlicht am

»Kleine giftige Zeitbomben« am Wegesrand

Prall gefüllt: Mehr als 800 Zigarettenkippen hat Kerstin Kwasniok in einer Stunde auf zwei Kilometern gesammelt. Foto: Jürgen Schenk
Prall gefüllt: Mehr als 800 Zigarettenkippen hat Kerstin Kwasniok in einer Stunde auf zwei Kilometern gesammelt. Foto: Jürgen Schenk

Karben. Kerstin Kwasniok liebt die Natur, Nordic Walking an der Nidda und Spaziergänge mit ihrem Enkel durch die Felder bei Groß-Karben. Vor drei Jahren kehrte sie deswegen Frankfurt den Rücken. Jetzt lebt die Rentnerin im Norden von Groß-Karben. Seit einem halben Jahr gehört sie der Nabu-Gruppe an. Eines bereitet ihr jedoch Kopfzerbrechen.
Die Naturverbundenheit von Kerstin Kwasniok wird auf eine harte Probe gestellt. Entlang der Wege im ländlich geprägten Karben findet sie immer wieder Müll, dessen Menge nicht unerheblich ist. Besonders die große Zahl an Zigarettenkippen ist für sie wie ein rotes Tuch.
»Irgendwann wollte ich mir einen Überblick verschaffen, wie viele Kippen da zusammenkommen«, erzählt die Naturschützerin. Das Ergebnis ihrer Sammlung präsentiert sie in einem Beutel. 807 Stück habe sie aufgehoben und das in einer Stunde auf zwei Kilometern. »Das ist erschreckend«, sagt Kerstin Kwasniok. Sie zeigt ihren eingeschlagenen Weg: Er führt vorbei an Feldern bis zum Niddaweg, aber auch entlang eines Spielplatzes und durch ein Wohnviertel.
»Kleine giftige Zeitbomben« nennt Kwasniok die Überbleibsel. Warum, das erklärt sie direkt vor Ort: »Ein Zigarettenfilter enthält bis zu 7000 Giftstoffe, darunter Arsen, Blei, Cadmium, Formaldehyd, Nervengifte und Mikroplastik. Es dauert 15 Jahre und länger, bis sich ein Zigarettenfilter zersetzt. Laut Weltgesundheitsorganisation werden allein in Deutschland jeden Tag 400 Millionen Zigaretten geraucht.« Die Aktivistin möchte am liebsten, dass Kippen als toxischer Sondermüll behandelt werden. »Solcher Abfall gehört ausschließlich in die Restmülltonne, weil er dann verbrannt werden kann«, fordert sie.
Ignoranz und
Unwissenheit

Für die Ignoranz mancher Konsumenten zeigt sie kein Verständnis, für deren Unwissenheit bis zu einem gewissen Punkt schon. »Viele wissen einfach nicht, was sie da anrichten. Mit jeder einzelnen Kippe landet Gift im Wasser, im Boden, in den Meeren und auch in der Nahrungskette.« Bei diesen Worten streckt sie den gefüllten Beutel mit dem Zigaretten-Sammelsurium mahnend in die Höhe. Das vor ihr angeprangerte Problem ist vom Ablauf her leicht nachzuvollziehen: Vom Straßenrand oder vom Erdboden werden die Giftstoffe aus den Zigarettenfiltern mit dem Regen ins Abwasser oder direkt in die Gewässer geschwemmt. Kinder und Tiere sind gefährdet, durch achtlos weggeworfene Zigarettenkippen Vergiftungen zu erleiden. »Ein Zigarettenstummel vergiftet 40 bis 60 Liter Grundwasser«, hat Kerstin Kwasniok beim Lesen einer Studie erfahren. Viele Kinder hätten sich bereits vergiftet, ohne es zu ahnen. Die Groß-Karbenerin möchte nicht falsch verstanden werden. Gegen Raucher habe sie prinzipiell nichts.
Nach ihrer Meinung sollten sie aber das richtige Verhalten an den Tag legen und ihre Hinterlassenschaften so beseitigen, dass die Umwelt dadurch keinen Schaden nimmt. »Denn mein Enkel ist zwei Jahre alt, und ich würde ihm so gerne eine saubere, gesunde Natur erhalten«, wünscht sich Kwasniok. Um diesem Ziel einen kleinen Schritt näher zu kommen, geht sie keiner Konfrontation aus dem Weg. Und so hebt sie weiterhin Zigarettenstummel auf, wo immer welche in der Gegend herumliegen. Und das ist in Karben augenscheinlich noch immer sehr oft der Fall. Von Jürgen Schenk