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Rüben deutlich zu klein

Der Rüben-Vollernter fährt während der Rübenernte rund um die Uhr. Hier auf dem Acker des Schönecker Landwirts Matthias Wacker (vorne) Foto: Niehoff
Der Rüben-Vollernter fährt während der Rübenernte rund um die Uhr. Hier auf dem Acker des Schönecker Landwirts Matthias Wacker (vorne) Foto: Niehoff

Schöneck. Herbstzeit ist Erntezeit. Das gilt auch für die Zuckerrüben, die üblicherweise einer der letzten Feldfrüchte sind, die eingeholt werden.
Dass die Rübenernte derzeit im vollen Gange ist, zeigen die riesigen Rüben-Vollernter, jeder mehr als eine dreiviertel Millionen Euro teuer, die zurzeit Tag und Nacht, unterwegs sind. »Wir, das heißt die etwa 60 Landwirte in der Wetterau teilen uns sechs Vollernter. Und die fahren dann in der Erntezeit rund um die Uhr«, berichtet der Schönecker Landwirt Matthias Wacker mit Blick auf eine dieser Riesenmaschine, die gerade seine rund 18 Hektar Rüben aberntet. Die Fahrer sitzen in dem Kabinenhaus hoch über dem Acker und steuern von dort die Rodung, indem sie in einem Arbeitsgang die Blätter entfernen, kleinhäckseln, über den Acker verstreuen und die Rüben aus dem Boden holen. Anschließend werden sie auf sogenannten Mieten am Feldrand gelagert und später von Lastwagen von dort direkt in die Zuckerfabrik gefahren.
Mit Blick auf die geernteten Rüben runzelt Wacker dann jedoch die Stirn: »Da sind wir gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen«. Und dann erklärt er warum: Wegen der schwierigen Wettersituation dieses Jahr seien die Rüben deutlich zu klein ausgefallen. Nach einem zu warmen Winter und einem zu kalten Frühjahr habe er seine Zuckerrüben erst Anfang Mai säen können.
Gerade noch rechtzeitig, sodass sie zumindest noch keimen konnten. Denn Ende Mai habe dann eine fast zehnwöchige Trockenphase bis Ende Juli angesetzt, die jedes Wachstum auf dem Acker stark beeinträchtigt oder sogar unterbunden habe. Der Regen, der dann gefolgt sei, habe zwar der Rübe zu einem späten, aber gerade noch ausreichenden Wachstum verholfen, jedoch konnte er den Rückgang des Zuckergehaltes von 18 auf 16 Prozent nicht mehr verhindern.
Für viele Getreidesorten sei der Regen hingegen zu spät eingetroffen. Ihre Früchte waren wegen der zu langen Trockenheit notgereift, die Körner damit vorzeitig verhärtet und winzig klein. Auch damit habe Wacker in diesem Sommer leben müssen, denn der Rübenanbau macht in seinem Betrieb nur ein Fünftel aus. Dass er wie vermutlich auch viele seiner Kollegen das Jahr doch noch mit einem blauen Auge finanziell abschließen kann, verdankt er dem derzeitigen Zuckerpreis, der momentan recht hoch liegt.
In Schöneck gibt es nur noch sechs Betriebe, die Zuckerrüben anbauen und deshalb darf der große Vollernter höchstens vier Tage vor Ort tätig sein bevor er zum nächsten Ort weiterzieht.
Zurückbleiben Landwirte, die sich angesichts des Wetters immer mehr Sorgen um ihre Zukunft machen. »Der Klimawandel ist deutlich zu spüren und wir müssen deshalb auch auf dem Acker darauf reagieren und nach neuen Früchten oder Anbaumethoden suchen«, meint Wacker nachdenklich.
Die Winter seien zu milde, mit der Folge, dass es mehr Insekten und Unkräuter gäbe, mit Auswirkungen wiederum auf das Wachstum der Getreidearten, der Rüben und der Kartoffeln. Mit Pflanzenschutzmittel dürften und wollten sich die Bauern nicht wehren. Doch wo es da einen Mittelweg zu finden gilt, da wissen weder Wacker noch die Fachleute Rat. Und die Sommer seien zu heiß und deutlich zu lang zu trocken.
Wacker hofft deshalb, dass möglichst schnell eine Antwort auf den Klimawandel gefunden wird. Denn mittlerweile reagieren sogar die Tiere in seinem Stall auf die neue Klimasituation. Wacker hält rund 200 Rinder auf seinem Hof, 70 davon Milchkühe. Die haben in seinen Ställen freien Auslauf, können also jederzeit den vollautomatischen Melkroboter anlaufen und sich melken lassen.
In diesem Jahr hat Wacker nun eine neue Erfahrung sammeln müssen. Die Ecke, in der der Melk-Roboter steht, wird von den Kühen zunehmend gemieden. Sie stehen stattdessen dicht gedrängt beieinander in der entgegensetzten Ecke. Wacker will nun auch den Grund gefunden haben: Er glaubt, dass es stark aggressive Fliegen sind, die die Kühe angreifen und beißen. Zusammen mit Spezialisten sucht er nun den Grund für das vermehrte Auftreten dieser Fliegen und nach einem Gegenmittel. Denn wegen der Milchgewinnung kann und will er nicht auf Chemie zurückgreifen.
Von Jürgen W. Niehoff