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Seit 100 Jahren unterwegs auf Rädern und Rollen

Aufnahme von einem Fahrradausflug nach Ingelheim im Jahr 1929. Das Foto entstand an der Ecke Homburger Straße/Rathausstraße in Klein-Karben. Foto: Privat
Aufnahme von einem Fahrradausflug nach Ingelheim im Jahr 1929. Das Foto entstand an der Ecke Homburger Straße/Rathausstraße in Klein-Karben. Foto: Privat

Karben. Die 1920er Jahre waren die große Zeit der Vereinsgründungen. Vor allem Sportvereine wuchsen überall förmlich aus dem Boden. Jetzt, 100 Jahre später, feiern diese Gemeinschaften ihre ersten dreistelligen Jubiläen. Zu jenem Kreis gehört auch der Radsportverein (RSV) Klein-Karben, der ursprünglich »Radfahrverein Solidarität Klein-Karben« hieß. Unter diesem Namen war er im Juni 1922 gegründet und in den Verband des deutschen Arbeiter Turn- und Sportbundes aufgenommen worden.
Rainer Züsch kennt die Geschichte des Radsportvereins Klein-Karben etwas ausführlicher. Aktuell arbeitet er an der dritten Festschrift, nachdem seine Recherchen bereits in die Ausgaben zum 50. und 75. Jubiläum einflossen. »Vermutlich musste erst eine offizielle Gründungsversammlung stattfinden, eine Satzung erstellt und ein Vorstand gewählt werden«, glaubt der älteste aktive RSV-Radsportler.
Idee einer Herrenrunde
Die Idee zur Vereinsgründung sei jedoch über einen Monat vorher entstanden. Züsch erzählt von einem Mai-Umzug mit Fahrrädern und einer anschließenden Herrenrunde im Gasthaus von Heinrich Beck in der heutigen Homburger Straße. Am 1. Mai 1922 hätten Wilhelm Stier, Ludwig Spöther, Georg Schumacher, Wilhelm Krause und Severin Vollmer bis in die Nacht zusammengesessen und den späteren Radfahrverein aus der Taufe gehoben. Grundsätzlich wollten sich die Klein-Karbener den Verein Solidarität Nieder-Erlenbach zum Vorbild nehmen, dessen Mitglieder sie während der Mai-Tour kennengelernt hatten.
In den Anfangsjahren kamen immer mehr neue Mitglieder dazu. Von einer regen Vereinstätigkeit zeugen heute noch einige überlieferte Fotografien von Ausfahrten und Umzügen mit dem Fahrrad. Im Jahr 1927 fand ein großes Radfahrerfest statt. Von dessen Erlös kaufte der Verein seine ersten Saalfahrräder, sogenannte »Kunstmaschinen«. »Nun konnte man das ganze Jahr über auch Saalradsport ausüben, insbesondere Kunst- und Reigenfahren«, berichtet Züsch. Trainiert habe man im Saal der Gaststätte Schuldt in der Rendeler Straße (heute »Zur Ludwigshöhe«).
Vor dem Bau von Sporthallen seien in der Regel immer die lokalen Gaststätten zum Trainieren genutzt worden. Weitere Zwischenstationen des RSV Klein-Karben waren die Gaststätte von Walter Wörner in der Rendeler Straße sowie der alte Hock’sche Kinosaal in Rendel.
Züsch ist seit dem 1. Januar 1954 Vereinsmitglied. Angefangen hat der Klein-Karbener aber nicht auf zwei Rädern, sondern auf vier Rollen. »Damals wurde beim RSV auch Rollschuhfahren angeboten«, erzählt er. »Ein Jahr zuvor hatte ich meine ersten Rollschuhe geschenkt bekommen. Mit denen bin ich von uns immer bis zur Gehspitze gefahren. Durch den Verein habe ich dann das Kunst- und Einradfahren kennengelernt.«
Zusammen mit seinem Kumpel Heinz-Wilhelm Hartmann feierte Rainer Züsch sportliche Erfolge, wurde Bezirks- und Hessenmeister im Zweier-Kunstradfahren. 1966 wurde er zum 1. Vorsitzenden des RSV Klein-Karben gewählt. Trotz der Auflösung der Rollschuhabteilung blieb Züsch auch diesem Sport treu und nahm noch in den 90er Jahren an verschiedenen Inlineskate-Veranstaltungen teil.
Nostalgie kommt auf, wenn er vom 50-jährigen Vereinsjubiläum erzählt, das 1972 als dreitägiges Volksfest auf dem Hissigwald-Marktplatz gefeiert wurde. Auch im Straßenradsport hat man sich als Ausrichter von Radrennen einen Namen gemacht. Heute zählt anstelle solcher Radrennen eine jährliche Radtouristik-Veranstaltung zu den Aushängeschildern des Vereins. Wegen der Corona-Pandemie musste sie allerdings schon zweimal ausfallen.
Von Jürgen Schenk

Aktivitäten im Jubiläumsjahr
Am Freitag, 1. April, 20 Uhr findet in der Schulturnhalle der Selzerbachschule Klein-Karben die Jahreshauptversammlung des Radsportvereins 1922 statt. Es stehen Neuwahlen des Vorstandes und das 100-jährige Jubiläum auf der Tagesordnung.
Zum Auftakt der Jubiläumsveranstaltungen ist eine Tourenfahrt für Radsportbegeisterte am Sonntag, 8. Mai, geplant. Vier Strecken (52, 73, 120 und 156 Kilometer) stehen zur Auswahl. Start ist die Mehrzweckhalle in Burg-Gräfenrode. Der Festkommers soll am Samstag, 25. Juni, im Saal des Bürgerzentrums stattfinden. Am Sonntag, 2. Oktober, können Mountainbiker ihr Können im Gelände unter Beweis stellen. Die Country-Touren-Fahrt bietet Strecken von 35 und 60 Kilometern. (jüs)