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Was Bilder über die Flucht verraten

Werner Giesler, Hans-Martin Thomas, Gerhilde Brüning und Peter Mayer (v.l.) zeigen die gerahmten Aufnahmen von Ilona Gapon. Foto: Jürgen Schenk
Werner Giesler, Hans-Martin Thomas, Gerhilde Brüning und Peter Mayer (v.l.) zeigen die gerahmten Aufnahmen von Ilona Gapon. Foto: Jürgen Schenk

Karben. Es sind Schnappschüsse. Erinnerungen – aufgenommen auf dem Weg aus der geliebten Heimat in der Ukraine gen Westen, um vor dem Krieg zu flüchten. Menschen, die in Karben angekommen sind, gewähren Einblicke in ihre Handyfotos. Flüchtlingshilfe und Kirchengemeinde organisieren eine Ausstellung, die am 17. August beginnt.
Viele Bilder erscheinen auf den ersten Blick belanglos, ohne echte Aussagekraft. Doch trotz ihrer Austauschbarkeit bleiben sie oft Monate oder sogar Jahre auf dem Handy gespeichert. Das liegt an der eigenen Wahrnehmung: Durch Schnappschüsse bilden Menschen ihre Wirklichkeit ab.
Die Aktiven der Karbener Flüchtlingshilfe haben viele Schnappschüsse von geflüchteten Menschen aus der Ukraine gesehen. Es sind Aufnahmen, die nichts anderes als das alltägliche Leben zeigen. Ausgebrannte Panzer, zerstörte Häuser oder getötete Zivilisten zeigen sie nicht. Die Fotos sollen nicht informieren, sondern erinnern.
50 Bilder und Texte
von sieben Ukrainern

»Schon im Mai kam die Idee auf, Schnappschüsse von Krieg und Flucht in einer Ausstellung zu zeigen«, sagt Werner Giesler. »Die Bereitschaft zum Erzählen unter den in Karben lebenden Kriegsflüchtlingen ist groß. Zunächst wollten wir die Bilder für sich sprechen lassen. Doch jetzt haben wir entschieden, dass es auch Texte dazu geben soll.«
Peter Mayer, der das Projekt ebenfalls mit Wort und Tat unterstützt, spricht von sieben Personen und 50 ausgewählten Bildern. Jede einzelne Aufnahme, jede Fotosammlung habe einen Titel bekommen. Eine noch größere Ausstellung im November sei schon geplant. »Das Projekt soll Lust am Mitmachen unter den Geflüchteten wecken und ihnen Ängste nehmen«, erklärt Mayer.
Krieg zerstört Gefühl
von Lebensstabilität

Ein voll besetztes Auto, spielende Kinder im Keller, winkende Eltern auf dem Bahnsteig. Giesler ist sich sicher: »Das sind Szenen, wie sie viele von uns schon einmal fotografiert haben. Im Krieg bekommen solche Motive eine ganz andere Bedeutung. Und doch können wir uns in die Szenen hineinversetzen, weil sie uns nicht fremd sind.«
Ilona Gapon wird sechs Bilder in Groß-Karben ausstellen. Sie ist eine weltoffene und vielseitig interessierte Frau. Nach der Ausbildung zur Krankenschwester hat die 22-Jährige an der Universität von Charkiw ein Pharmazie-Studium begonnen. Nebenbei arbeitet sie in ihrer Heimat als Masseurin und stellt mit ihrer Mutter zusammen eigenen Käse her. »Ein ganz normales Leben, ein Leben voller Hoffnungen«, kann man in ihrem selbst geschriebenen Text nachlesen. Doch dann kam der russische Angriff.
Von Jürgen Schenk

Ausstellung
Flüchtlingshilfe und evangelische Gesamtkirchengemeinde laden zur Eröffnung der Ausstellung am Mittwoch, 17. August, ins evangelische Gemeindehaus Groß-Karben, Westliche Ringstraße 11, ein. Beginn ist um 19 Uhr. (jüs)