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In den Bankrott geführt

Siegfried Wechsler wurde am 8. Februar 1892 in Vilbel als Sohn von Simon und Rebecca Wechsler geboren. Mit Edmund, seinem älteren Bruder, wuchs er in der Frankfurter Straße 20 auf. Seine Mutter verstarb früh. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und nahm am Ersten Weltkrieg teil. 1924 heiratete er Johanna Krämer. Gemeinsam bezogen sie die Parterre-Wohnung seines Elternhauses. Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor.

Bad Vilbel. Von Beruf war Wechsler Kaufmann und als Getreide-, Mehl-, Futter- und Düngemittelhändler tätig. Das Geschäft hatte er 1926 von seinem Vater Simon übernommen. 1929 legte er eine Mineralquelle auf seinem Grundstück an und gründete den Mineralbrunnenbetrieb „Siegfried-Quelle“. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 litt das Geschäft unter Boykottmaßnahmen. Das Getreide- und Futtermittelgeschäft kam zum Stillstand und wurde 1937 abgemeldet. Die Siegfried-Quelle konnte Wechsler zunächst weiter betreiben. Jedoch geriet das Unternehmen zunehmend unter Druck. Im Sommer 1938 wurde ein Vertrag zum Verkauf der Firma aufgesetzt, die jedoch vorerst weiter von Wechsler betrieben wurde. Die letzte Abfüllung des Mineralwassers wurde am 9. November 1938 vorgenommen. Stunden später wurden die Flaschen des Betriebs zerschlagen, die Fahrzeuge demoliert, die Wohnungseinrichtung zerstört.

Am 10. November wurde Siegfried Wechsler verhaftet und gemeinsam mit anderen Verhafteten in das KZ Buchenwald verschleppt, mindestens bis zum 20. November wusste seine Frau Johanna nicht, wo sich ihr Mann befand.

Siegfried Wechsler wurde am 7. Dezember aus Buchenwald entlassen und erfuhr vermutlich erst jetzt, dass sein Vater Simon fünf Tage zuvor gestorben und sein Neffe Erich Bernhard im Lager Dachau inhaftiert war. Gemeinsam mit seiner Frau lebte er nun in Frankfurt. 1939 mussten sie Schmuck und Edelmetall abliefern und die „Judenvermögensabgabe“ bezahlen.

Erich, Edmund und Therese Wechsler emigrierten bis zum Sommer 1939 in die USA. Auch Siegfried und Johanna Wechsler betrieben ihre Auswanderung. Sie wollten in den USA eine Pension eröffnen, doch die Flucht misslang.

Schon zwei Tage nach der Pogromnacht war Siegfried Wechslers Konto bei der Sparkasse in Bad Vilbel vom Oberfinanzpräsidenten Darmstadt „gesichert“ worden. Damit war ihm die freie Verfügung über sein Konto entzogen. In den folgenden Jahren schrieb er zahlreiche Briefe an die zuständige Devisenstelle: Er bat um die Erhöhung des „ihm zustehenden monatlichen Betrages“, weil er – „in Ermangelung einer eigenen Wohnung“ – täglich mit seiner Frau im Restaurant essen musste; um Geld für bedürftige Verwandte; um finanzielle Mittel, um Ersatz für die zerstörte Wohnungseinrichtung anschaffen zu können.

Ab 11. Juli 1940 leistete Siegfried Wechsler Zwangsarbeit bei der Firma Eugen Hofmann in Höchst. Ende des Monats wandte er sich erneut an den Oberfinanzpräsidenten: „Da ich erhöhte Ausgaben durch Fahrtkosten und Lebensführung habe, bitte ich um Freigabe dieses Betrages derart, dass die Firma den Wochenlohn direkt auszahlen darf. Auf meinem beschränkt verfügbaren Sicherungskonto bei der Bezirkssparkasse Vilbel stand mir seither ein Betrag von 400 Reichsmark zur Verfügung, welcher mir ab 1. August 1940 auf 350 Reichsmark herabgesetzt wurde.“

Im Juni 1942 wurden Siegfried und Johanna Wechsler erneut verhaftet und deportiert. Die Devisenstelle in Frankfurt teilte am 15. Juli 1942 mit: „Vermögen des nach Osten evakuierten Juden ist zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen.“ Johanna und Siegfried Wechsler wurden nach dem Krieg zum 8. Mai 1945 für tot erklärt. (kop)