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„Judengasse“ im Urkataster von 1836 genannt

Zu dem BVA-Bericht „Ein Ort des Erinnerns“ im BVA vom 19. Januar, Seite 7, erreichte uns nachfolgende Präzisierung von Claus Günther-Kunzmann, Vorsitzender des Bad Vilbeler Vereins für Geschichte und Heimatpflege:

Im Bad Vilbeler Urkataster aus dem Jahre 1836 ist – obwohl es ansonsten noch keine Straßennamen in der Stadt gab – die Judengasse (heute: Wasserweg) explizit genannt. Auf dem Auszug aus dem genannten Kataster ist dies am Rand oben rechts gut zu sehen. Hier dürfte die jüdische Gemeinde von Bad Vilbel ihren Ursprung genommen haben.

Ich zitiere aus dem Buch „Geschichte der Vilbeler Juden“ von Berta Ritscher. „Mit den hier besprochenen „Schutzverwandten“ von ca. 1660 bis 1760 haben wir die Vertreter der ersten jüdischen Epoche in Vilbel kennengelernt. 1759 befanden sich sechs Familien hier. Diese wohnten wohl noch alle in der Judengasse, heute „Wasserweg“. Diese Gasse befand sich damals am südlichen Ortsrand von Vilbel in sehr verkehrsgünstiger Lage.“ (Seite 10).

Von den Gebäuden der einstigen Judengasse steht nur noch das Haus Wasserweg 2. Die anderen Häuser wurden schon vor vielen Jahren abgebrochen, völlig unabhängig von Überlegungen zur Gestaltung einer neuen Mitte in Bad Vilbel.

Das Haus Wasserweg 2 ist in jedem Fall eng mit der Geschichte der Juden in unserer Stadt verbunden. Ein erneutes Zitat aus dem genannten Buch mag dies belegen. Im Kapitel „Der Vilbeler Pogrom am 10. November 1938“ wird ausgeführt: „Es handelt sich hier um Elise Strauß, Tochter von Isaak Strauß, die man in Vilbel „Isaaks Lisi“ nannte. Sie wohnte am Wasserweg 2, der ehemaligen Judengasse. Dass gerade hier, von wo aus die jüdische Gemeinde einst ihren Ausgang genommen hatte, sie nach fast dreihundertjähriger Geschichte auch ihr Ende finden sollte, entbehrt nicht der Symbolik. Das Haus gelangte nach 1940 auch in andere Hände. Die vier alten Juden, die zuletzt in dem kleinen Ghetto am Wasserweg gelebt haben …..“.

Alle genannten Juden wurden deportiert und ermordet. Für Elise Strauß haben wir deshalb 2006 hier den Stolperstein mit dem folgenden Text gesetzt: „Hier wohnte Elise Strauß, geboren am 19. März 1871 in Vilbel. 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, dort am 11. Januar 1943 ermordet.“ (Insgesamt hat es in Bad Vilbel drei Verlegeaktionen für Stoplersteine gegeben.)

Für das Haus Frankfurter Straße 48 ist bekannt, dass im 19. Jahrhundert hier eine jüdische Familie wohnte. Weitere Bezüge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde liegen nicht vor. Und dann soll noch darauf hingewiesen werden, dass es in Bad Vilbel einen gut gepflegten und erhaltenen jüdischen Friedhof gibt, der nach Absprache besucht und besichtigt werden kann. Die Pflegemaßnahmen hier erfolgen in enger Abstimmung mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden in Hessen.

Das Fehlen eines Hinweises in der Kernstadt auf die ehemalige Synagoge ist und bleibt außerordentlich bedauerlich.

Claus Günther-Kunzmann,

Bad Vilbel