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2000 Jahre Antisemitismus

Der Vilbeler Lehrer Heiner Ehrbeck hat sich intensiv mit der Entstehung des antisemitischen Gedankens befasst. Foto: Niklas Mag
Der Vilbeler Lehrer Heiner Ehrbeck hat sich intensiv mit der Entstehung des antisemitischen Gedankens befasst. Foto: Niklas Mag

Noch bis zum 30. November kann im Bad Vilbeler Kurhaus die Ausstellung „Legalisierter Raub“ besichtigt werden. Dazu gehört auch ein Rahmenprogramm, das verschiedene Aspekte des Lebens der Juden während der Nazi-Zeit in Hessen belichtet. Heiner Ehrbeck füllte den Saal mit einem Vortrag über die Entstehung des Antisemitismus.

Bad Vilbel. „Ich bin sehr erfreut über den großen Zuspruch“, sagt Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann strahlend bei seiner kurzen Begrüßung, als Mitglied des Bad Vilbeler Vereins für Geschichte und Heimatpflege. Denn noch immer werden Stühle geholt. Das Thema scheint in der Bevölkerung präsent zu sein, denn über 70 Personen füllen den Raum im Kurhaus.

Das Judentum sei schon immer eine Religion gewesen, die sehr solidarisch geprägt sei. Das sehe man gerade bei den vielen jüdischen Stiftungen, erklärt Heiner Ehrbeck. Demnächst veröffentlicht er seine Doktorarbeit mit dem Titel „Antisemitismus – Ausbeutung – Unterdrückung“.

Der Beginn des Antisemitismus ist sehr umstritten, so datieren ihn viele Experten auf das Jahr 1870, da damals der Begriff geprägt wurde. Andere datieren ihn auf die NS-Zeit. Ehrbeck schloss sich nach langer Forschungsarbeit der dritten Gruppe an, die den Beginn bereits vor über 2000 Jahren ansetzt. „Der exakte Zeitpunkt ist wegen der Quellenlage natürlich schwer erkennbar.“

„Antisemitisches Denken zeigte sich in der Geschichte schon sehr früh“, betont der Forscher. Bereits im Buch Esther seien erste antisemitische Tendenzen zu lesen, diese Stelle der Bibel wird auf 500 vor Christus geschätzt. Doch was auf jeden Fall bekannt ist: Korrupte römische Statthalter diskriminierten die Juden, was sich immer wieder in kleineren Aufständen entlud. Die Römer erhoben deshalb eine „Judensteuer“.

Außerdem verboten die Römer den Juden den Neuaufbau ihres Tempels, der im Jahre 70 nach Christus zerstört worden war. „Damit war den Juden ihre Existenzgrundlage entzogen“, so Ehrbeck. Die jüdische Religion spaltete sich in viele Splittergruppen auf. Im Jahre 313 nach Christus begann der Siegeszug des Christentums, doch dies geschah zulasten des Judentums: In den folgenden 200 Jahren wurden den Juden mehr und mehr Rechte aberkannt.

Ehrbeck zitierte aus vielen auch christlichen Quellen, in denen die Juden als Seuche oder Krankheit bezeichnet wurden. Nach langen Jahren der Forschung kam er zu folgendem Fazit: „Da auch Kirchenväter sich über Jahrhunderte hinweg antisemitisch äußern konnten, haben sie langsam einen antisemitischen Gedanken unter das Volk gemischt. So wurde über Jahrhunderte hinweg ein judenfeindliches Klima geschaffen.“ Ein „erschreckendes Ergebnis“, doch die Quellenlage sei eindeutig. Immerhin: Seit dem Jahr 2000 bekennen sich die christlichen Kirchen zu ihrer Mitverantwortung an Entfremdung und Feindschaft gegenüber den Juden. (nma)

Die Ausstellung im Kurhaus ist bei freiem Eintritt dienstags bis freitags von 17 bis 19 Uhr sowie samstags von 11 bis 16 und sonntags von 12 bis 17 Uhr zu sehen. Den nächsten Vortrag zum Thema hält Professor Martin Stöhr morgen (Donnerstag) ab 19.30 Uhr im Kurhaus über „Die Rolle der Intellektuellen in der NS-Zeit“.