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Flucht und Vertreibung aus dem Osten – Staatsarchiv Darmstadt sucht Zeitzeugen

„Ankunft und Staerke des Transportes noch nicht bekannt“ – so liest man in einem Telegramm an den Bezirkskommissar für das Flüchtlingswesen im Jahr 1945. Fast 600000 Vertriebene aus dem Osten kamen allein bis Oktober 1946 in Hessen an.

Bad Vilbel. Im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, das das historische Erbe des südlichen und mittleren Hessen verwahrt, finden sich über 200 Akten, die diese Flüchtlingstransporte aus der Tschechoslowakei dokumentieren. Sie erzählen die Geschichte Hunderttausender: Wer kam wann woher? Welche besonderen Vorkommnisse gab es während der Fahrt? Und sie beantworten die wichtigste Frage für die hessischen Behörden: wohin mit den ganzen Menschen, die aus dem Osten fast täglich und in großer Zahl ankamen? Die persönliche Seite, der individuelle Blick, die Einzelschicksale – all das findet sich in den Behördenakten jedoch nicht. Was gaben die Menschen, die nach Hessen kamen, alles auf? Mit welchen Gefühlen reisten sie ihrem ungewissen Schicksal entgegen? Wie gestaltete sich der Neuanfang und wie wurden sie von ihren neuen Mitbürgern vor Ort empfangen? Aber auch die andere Seite ist von großem Interesse: wie ist es den Hessen mit den Flüchtlingen ergangen? Welche Erinnerung haben sie an die Durchgangs- und Auffanglager, die in vielen Regionen entstanden, oder an die Einquartierungen?

Das Staatsarchiv, das im November die Wanderausstellung „Tragische Erinnerungsorte“ zeigt, die unter anderem die Vertreibung aus dem damaligen „Sudetenland“ thematisiert, will im Rahmen eines Zeitzeugenprojektes die Überlieferung der Behördenakten um eine persönliche Seite ergänzen.

Das Staatsarchiv sucht Zeitzeugen, die bereit wären ihre ganz eigene Geschichte aufzuschreiben – die der Vertreibung und des Neuanfangs in Hessen oder umgekehrt die der Hessen, die die Flüchtlinge aufnahmen. Sind Sie Zeitzeuge? Dann schreiben Sie Ihre Geschichte auf und schicken Sie sie dem Staatsarchiv Darmstadt, damit Ihre Erinnerungen und die Ihrer Familie nicht vergessen gehen.

Die Unterlagen werden durch das Staatsarchiv verwahrt und können nach Ablauf von Schutzfristen interessierten Nutzern zur Verfügung gestellt werden. (sam)

Anschrift: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Karolinenplatz 3, 64289 Darmstadt. Ansprechpartnerin ist Dr. Eva Rödel, Telefonnummer (06151) 165945)