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Abstinent leben

Thomas Stöhr überreicht den Spendenscheck an Alfred Lauschke. Foto: Mathias
Thomas Stöhr überreicht den Spendenscheck an Alfred Lauschke. Foto: Mathias

Leben ohne Alkohol und andere Drogen. Dazu stehen die Guttempler. Die Vilbeler Gemeinschaft feierte jetzt 25-jähriges Bestehen. Und lieferte interessante Geschichten rund um die Sucht.

Bad Vilbel. „Der Hunger und der Appetit auf Süßes wächst, wenn man abstinent lebt.“ Alfred Lauschke, Vorsitzender der Bad Vilbeler Guttempler-Gemeinschaft, bringt es auf den Punkt. Der jahrelange eiserne Verzicht auf Suchtmittel, seien es Alkohol oder Tabletten, muss belohnt werden.

So war es kein Zufall, dass zum 25-jährigen Jubiläum der Guttempler-Gesprächsgruppe in der Alten Bürgermeisterei Dortelweil ein üppiges Mahl aufgetischt wurde und Alkohol natürlich verpönt war. Wasser, Cola und Kannen mit Kaffee waren die Durstlöscher für die zwei Dutzend Männer und Frauen, die sich nach und nach in dem Lokal eingefunden hatten.

Revolte und Umzug

Es war im Jahr 1988, als Horst Kinzel und Laszlo Debrezini in der Guttemplergemeinschaft Friedberg revoltierten. Sie wollten nicht, dass der alte Vorstand wiedergewählt wird. Die Gründung einer eigenen Gesprächsgruppe wurde ins Auge gefasst. Büdingen und Nieder-Wöllstadt wurden verworfen. Kinzel wollte nach Bad Vilbel, klopfte bei Bürgermeister Günther Biwer an und wurde mit offenen Armen empfangen. Biwer organisierte bei der Dortelweiler Feuerwehr einen Raum für regelmäßige Treffs. Am 9. September 1989 wurde dort die Gesprächsgruppe Wetterau II ins Leben gerufen.

Endlose neun Monate lang blieben hier Kinzel und Laszlo unter sich. Bis Roland kam. Der erste Hilfesuchende hält noch heute Kontakt und ist abstinent geblieben. Und damit gings bergauf. „Die Gesprächsgruppe entwickelte sich hervorragend“, erinnert sich Kinzel. Sogar eine Gruppe für Kinder und Jugendliche bildete sich zeitweise.

Weihnachtsfeiern wurden ausgerichtet und schließlich, im Jahr 1996 eine eigene Guttempler-Gemeinschaft ins Leben gerufen. Dieser Kreis gehört zur weltweiten Guttempler-Organisation und unterscheidet sich vom losen Gesprächskreis durch eine feste Anbindung an die Organisation.

Mitglied und später Vorsitzender der Gemeinschaft „Ritter Bechtram“ ist Alfred Lauschke. Er erinnerte an 13 Gründungsmitglieder und das Prinzip, dass der Gesprächskreis und die Gemeinschaft je einen eigenen Tag pro Woche für ihre Zusammenkünfte reserviert haben. Nicht mehr im Feuerwehrhaus, sondern in der Alten Bürgermeisterei finden die Treffen statt.

Gefährliches Gefühl

Die Räumlichkeiten dürfen die Guttempler kostenfrei nutzen. „Man wird nicht von einem Stoff abhängig, sondern von dem Gefühl, das dieser bei einem auslöst“, erklärte Lauschke den Hilfeansatz der Gesprächsgruppe, wo man im übrigen absolut vertraulich seine Probleme mit der Sucht ausbreiten könne. „Es kommt kein Wort aus dem Raum“, sagte Lauschke.

Der aktuelle Vorsitzende nahm die Anwesenheit von Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) zum Anlass, die Unterstützung durch die Stadt hoch zu loben. Stöhr seinerseits sparte nicht mit Lob und hob hervor, dass sich die Guttempler durchaus bei städtischen Aktivitäten zeigten, beispielsweise beim Straßenfest. Mit Freude nahm Lauschke den Scheck aus Stöhrs Verfügungsmitteln, Stöhrs mittlerweile berühmte „Kostendämpfungsmaßnahme“, entgegen.

Insider Nikolaus „Niki“ Mauer schilderte am Rande der Veranstaltung, dass Alkohol bei weitem nicht mehr das einzige Suchtmittel sei. Medikamente jeder Art und Güte würden bis zum Geht-nicht-mehr hineingeschüttet. Sogar Schmerzmittel, die Tierärzte für Pferde verwenden, seien nicht zu schade für eine „Dröhnung“.

Der aktuelle Trend sei, dass ein Abhängiger „mindestens zwei Diagnosen“ habe, wie Alkohol und Depressionen. Nicht nur erwachsene Männer, auch Frauen sind Gäste in den Zusammenkünften. Auch Jugendliche kämen, weil sie fürchteten, dass sie der Alkoholkonsum den Führerschein kosten könnte. Aufgenommen werde jeder ohne Rücksicht auf politische oder religiöse Färbung. Engen Kontakt halten die Bad Vilbeler mit Suchtärzten in Friedberg.

Bei den Guttemplern nennen sich die Betroffenen selbst „Alkoholiker“. Mauer ist seit 20 Jahren abstinent, kann aber von Zigaretten nicht lassen, und den Kaffee am Morgen braucht er zur Menschwerdung. Alkoholiker, so bekennt er ganz im Sinne der Guttempler, sei er nach wie vor, aber er lebe abstinent. Und seine Brüder und Schwestern vom „Ritter Bechtram“ würden helfen, dass es so bleibt.

Die Guttempler bieten den Gesprächskreis regelmäßig montags von 20 bis 22 Uhr in der Alten Bürgermeisterei Dortelweil an und mittwochs von 20-22 Uhr tagt die Gemeinschaft. Die Bad Vilbeler Guttempler unterhalten auch ein Spendenkonto. Es hat die IBAN DE49 518 500 790 106 006 997.