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Das Ungeheuer Mensch

Die Theaterschule »Junge Burg« präsentiert die Tragödie »Antigone« in der Stadtbibliothek. König Kreon bittet das Orakel um Rat, was gegen die in Theben sich ausbreitende Pest unternommen werden sollte. Foto: Eugen Sommer
Die Theaterschule »Junge Burg« präsentiert die Tragödie »Antigone« in der Stadtbibliothek. König Kreon bittet das Orakel um Rat, was gegen die in Theben sich ausbreitende Pest unternommen werden sollte. Foto: Eugen Sommer

Theaterschule »Junge Burg« bringt »Antigone« auf die Bühne

Bad Vilbel. Mit zwei Vorstellungen der »Theaterschule Junge Burg« sind die ersten öffentlichen Auftritte der diesjährigen Burgfestspiel-Saison über die Bühne gegangen – wenn auch in der Stadtbibliothek und nicht im Burghof.

Sieben Darstellerinnen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren haben sich unter Leitung des Schauspielers und Regisseurs Raphael Kassner mit einem fast zweieinhalbtausend Jahre alten Stoff auseinandergesetzt, der mit dem Krieg von Russlands Präsidenten Putin in der Ukraine eine erschreckende Aktualität erhalten hat: In der Tragödie »Antigone« des antiken griechischen Dichters Sophokles, deren Entstehung auf das Jahr 441 vor unserer Zeitrechnung datiert wird, geht es um Macht und Ohnmacht, um Leben und Tod, um Gesetze und Ideologie der Herrschenden und den Ungehorsam diesen gegenüber.

Die feindlichen Brüder Eteokles und Polyneikes haben sich gegenseitig beim Duell getötet. Ihr Onkel Kreon wird König von Theben. Er lässt Eteokles als Held beerdigen, während er die Bestattung des Polyneikes verbietet, da dieser als Verbannter gegen die eigene Stadt Krieg führte. Antigone, die Schwester der beiden Toten, widersetzt sich und gibt offen zu, dass sie Polyneikes symbolisch bestattet hat, in dem sie Erde auf seinen Leichnam streute. Kreon hält sein Gesetz für wichtiger als all seine Zweifel: »Ich kann, selbst wenn ich wollte, kein Erbarmen zeigen«, sagt er. Sich selbst gesteht er ein: »Nur wer die Macht hat, kennt auch die Angst, sie zu verlieren.« Antigone wird lebendig eingemauert. Als Kreon sich doch überwindet, seine Meinung zu ändern, ist alles zu spät.

»Ungeheuer ist viel. Doch nichts ist ungeheurer, als der Mensch.« Dieser Satz des Sophokles hat die sieben Darstellerinnen der Theaterschule Junge Burg sehr beeindruckt und so leitet er auch ihre beeindruckende Inszenierung ein. Zwischen 13 und 17 Jahren sind die Darstellerinnen alt – Jungen hatten sich dieses Jahr nicht angemeldet.

Seit Oktober 2021 wöchentlich geprobt

Geprobt wurde unter der Regie von Raphael Kassner und der Mitarbeit von Dramaturgin Ruth Schröfel seit Oktober 2021 jeweils donnerstags drei Stunden – im März kamen noch einige Stunden sonntags dazu. Vier der jungen Schauspielerinnen sind »Wiederholungstäterinnen« und hatten schon in den Vorjahren einmal oder auch bereits mehrfach teilgenommen. Alle bestätigen, dass es zwar mitunter anstrengend, aber doch spannend war und alle froh sind, durchgehalten zu haben.

Die Kurse der »Theaterschule« werden seit Jahren durch den Förderverein der Burgfestspiele um ihren Vorsitzenden Michael Döricht ermöglicht. Es gehe dabei in erster Linie darum, den Teilnehmern und Teilnehmerinnen näherzubringen, wie sie sich auf einer Bühne ausdrücken können, eine Szene gemeinsam entwickeln, nicht nur Texte aufsagen, sondern auch eine Beziehung zu den Figuren entwickeln können, fasst Regisseur Raphael Kassner zusammen.
Es sei aber schon mehr als nur ein theaterpädagogisches Angebot für Jugendliche. Es sollen auch Szenen beziehungsweise Stücke eingeübt werden, die vor einem Publikum aufgeführt Stand halten.

Alle sind einmal Kreon und einmal Antigone
Die Rollen für die Tragödie waren nicht fest zugeteilt, vielmehr sprach jede der Teilnehmerinnen mindestens einmal eine Textpassage als Antigone und eine andere als Kreon, dessen Krone dann immer weitergereicht wurde. Auch bei der Dartstllung der anderen Figuren wechselten sich die jungen Frauen ab.

Inszeniert wurde das Stück an vier Stationen in der Bibliothek. Beginn war im Erdgeschoss im Lesebereich für die Tages- und Wochenzeitungen. Hier lümmelten die Darstellerinnen in den Sitzen. Einer putzte die Königskrone blank, andere tippten auf ihren Smartphones, eine andere las in einem Buch. Es war eine Übersetzung der »Antigone« nach Sophokles und plötzlich war das Interesse der anderen an dem Stoff groß.

Weitere Auftrittsorte, zu denen auch das Publikum folgen musste, waren die Treppe zum Obergeschoss sowie danach der rechte und linke Bereich des Lesesaals. Bei der Premiere und einer zweiten Vorstellung waren in der Bliothek jeweils rund 40 Zuschauerinnen und Zuschauer dabei. Darunter auch viele »Ehemalige« der früheren Theaterschul-Kurse, die Regisseur Raphael Kassner herzlich begrüßten.