Bei gefühlt arktischen Minusgraden lief ich durch Frankfurt. Man tut das überraschend selten, wenn man in der Stadt wohnt, was sich mir übrigens nie erschlossen hat. Letztlich bewegt sich das Leben irgendwie doch zwischen dem Arbeitsplatz, dem Supermarkt und dem Sportstudio. Letzteres in unregelmäßigeren Abständen.
Zu meiner Verteidigung sei zu sagen, dass der diesjährige „Frühling“ auch nicht dazu motiviert, hinauszugehen. Und so entsteht der Eindruck, das Leben harre der Wärme. Schneeglöckchen seien mal dahingestellt, aber sonst wächst nun wirklich noch nichts.
Ich erwische mich auch immer wieder dabei, endlich Rasendünger kaufen zu wollen, der würde allerdings nur festfrieren, sagte mir der Verkäufer. Die Kälte, so scheint es, will die Welt noch nicht loslassen. Zu tief sitzt sie noch verwurzelt im Erdreich und auf den Ästen und Zweigen der Bäume, als dass sie sich leichten Fußes aufmachen könnte. Und das Erschreckende daran ist: man gewöhnt sich daran. Daran, dass es kälter ist als es sein sollte. Daran, dass die Wärme fehlt. Und wir tun das nicht nur im Bezug auf den Frühling, in dem wir dann jammern, dass es noch nicht Sommer ist, um uns dann zu beschweren, dass irgendwo ein Nikolaus rumsteht. Wir tun das auch im Miteinander.
Mir hat eine Bekannte erzählt, sie sei bei einem Gespräch mit ihrem Chef 30 Minuten lang angeschrien worden. Das sei aber normal bei Rückmeldungen und da müsse man eben durch. Ein Freund erwähnte am Rande, dass er bei solchen Gelegenheiten entsprechend „zurückfeuere“. Und erwischt man sich dabei, wie man nachträglich überlegt, wie man jemandem eine reinwürgen könnte, der einem etwas Hässliches an den Kopf geworfen hat.
Die Bibel lehrt uns, die andere Wange hinzuhalten und meint damit kein gleichgültiges Erdulden aller Dinge, sondern eben nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Mir fällt das schwer, aber gute Dinge brauchen Zeit und Übung. Und da ich das mit dem Rasen ja noch eine Weile getrost sein lassen kann, scheint mir die Nachspielzeit des Winters eine gute Gelegenheit, darauf zu vertrauen, dass es etwas wärmer wird in der Welt.
Patrick Smith,
Evangelische Christuskirche