
Bad Vilbel. Das Personal der Kitas in Bad Vilbel ist am Limit. Um Ausfälle bei Betreuungen abzuwenden, plant die Stadt, die Betreuungszeiten zu kürzen, insbesondere in den frühen Morgenstunden. Einige Eltern stellt dies vor große Schwierigkeiten.
Jeder Tag ist eine logistische und emotionale Herausforderung«, schreibt eine Leserin über die geplanten Änderungen der Betreuungszeiten der Kitas. Die Stadt möchte mit den geänderten Zeiten das pädagogische Personal entlasten. Doch für einige Eltern bedeuten die neuen Zeiten eine Mehrbelastung und Unsicherheit.
Die neuen Betreuungszeiten der elf städtischen Kitas sollen ab 1. August gelten. Bisher wurde neben der Kernbetreuungszeiten ein Früh- und ein Spätmodul angeboten. Das Frühmodul lief von 7 bis 8 Uhr, und das Spätmodul von 15 bis 16 Uhr lief. Künftig sollen beide Module gekürzt werden und eine Betreuung montags bis donnerstags von 7.30 bis 16 Uhr und freitags von 7.30 bis 15 Uhr angeboten werden. Die Änderungen müssen noch im Stadtparlament am 3. Juni (ab 18 Uhr in der Stadthalle Vilco) beschlossen werden.
Laut der Stadt waren zwölf Prozent aller betreuter Kinder in Bad Vilbel für das Früh- und Spätmodul angemeldet. Allerdings seien nur wenige Kinder tatsächlich während der jeweiligen Zeiten in den Kitas anwesend, mitunter nur ein einziges. Bei Kindern unter drei Jahren bedeutet das, dass immer zwei Erzieher vor Ort sein müssen.
»Viele sind am Rande ihrer Belastung«, sagt Bad Vilbels Sozialdezernentin Ricarda Müller-Grimm (SPD). Die Personalsituation in den Kitas sei prekär. Immer wieder komme es wegen hohen Krankenstands zu kurzfristigen personellen Ausfällen, sodass entweder Kollegen einspringen müssten oder die Betreuung ganz ausfalle. Die Stadt versuche zwar, mehr Erzieherinnen und Erzieher einzustellen, aber es fehlen Arbeitskräfte. »Die Fachschulen sind leer«, sagt Karolin Hartmann, Fachdienstleiterin des Kita-Büros. Nur wenige junge Menschen wollen eine Ausbildung machen.
Überfordertes
Personal
Fachkräftemangel in der Erziehung gibt es aber nicht nur in Bad Vilbel, sondern in ganz Deutschland. Für Jörg Heinz, Fachbereichsleiter für Soziale Sicherung, liegt einer der Gründe dafür im schlechten Ruf der Branche. Viele glauben, dass die Löhne schlecht seien, dabei werde in Bad Vilbel übertariflich bezahlt. Die meisten Erzieherinnen und Erzieher arbeiten zudem in Teilzeit. Um die überforderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten, plant Bad Vilbel nun die Kürzung der Betreuungszeiten. »Gruppenreduzierungen sind schwierig, und wir wollen keine Plätze wegstreichen«, sagt Heinz. In den vergangenen Jahren wurde bereits versucht, durch pädagogische Zusatzkräfte dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern. Damit habe man Erfolge gehabt und auch einige Kräfte übernehmen können. Aber dennoch seien die Erzieherinnen und Erzieher am Limit. Künftig wolle die Stadt zudem vermehrt Kräfte aus dem Ausland einstellen.
Die angedachten Lösungen sind jedoch nur ein schwacher Trost für diejenigen, die durch die neuen Zeiten betroffen sind. »Für mich, wie für viele andere Familien, bedeutet das eine kaum lösbare Herausforderung«, schreibt eine Leserin. Sie ist eine alleinerziehende Mutter, die in Frankfurt arbeitet und um 7.45 Uhr im Büro sein muss. Die neuen Zeiten machen es ihr unmöglich, ihr Kind rechtzeitig in die Kita zu bringen und pünktlich bei der Arbeit zu sein. »Die geplanten Kürzungen zwingen mich, erneut über berufliche Einschränkungen oder Veränderungen nachzudenken. Etwas, das ich mir weder leisten noch zumuten kann«, schreibt sie.
Kernzeiten sollen
gesichert werden
Sie könne zwar Verständnis für den Fachkräftemangel aufbringen, schreibt sie weiter, aber die strukturellen Probleme auf den Rücken der Eltern auszutragen, sei für die Mutter keine Lösung. »Es braucht dringend ein Umdenken in der Familienpolitik der Stadt.« Sie wünscht sich bessere Rahmenbedingungen für die Fachkräfte, sodass der Job auch attraktiver werde.
Der Stadt sei der Fall der Mutter bekannt. Pressesprecher Yannick Schwander bedauere es, dass es solche Einzelfälle gibt und es zu Härtefällen bei der Änderungen der Zeiten kommt. »Es war uns bewusst, dass dies nie gänzlich zu vermeiden ist. Dennoch müssen wir auf das Gesamtinteresse hinweisen, und dieses besteht in der Stärkung und Absicherung der Kernzeiten.«
Die alleinerziehende Mutter fühlt sich in ihrer Situation alleingelassen. Schon im Zuge der Platzvergabe hatte sie sich an die Stadt gewandt, doch habe sie keine Rückmeldung bekommen. Sie wünscht sich, dass die Realität der Betroffenen sichtbar wird. »Wir sind nicht wenige. Aber wir sind leise, weil wir oft keine Energie mehr haben, laut zu sein.«
Von Thomas Peters