Veröffentlicht am

Die Erinnerung wachhalten – Szenische Lesung zur Judenverfolgung

Wenn sich das Judenpogrom im November jährt, sollen sich die Karbener an die schrecklichen Geschehnisse von vor 73 Jahren erinnern:

Karben. Warum immer wieder dieses Thema, warum immer wieder Pogrom und Judenverfolgung ansprechen? Weil es, findet Klein-Karbens Pfarrer Werner Giesler von der evangelischen St.-Michaelis-Gemeinde, hochaktuell ist. Damals, in den späten 1930er-Jahren, habe Deutschland Geld gebraucht und kurz vor dem Staatsbankrott gestanden. „Das holte man sich von den Juden.“

In den Debatten über die Euro-Rettung heute schwinge im Unterton wieder Rassismus latent mit, warnt Giesler: „Da wird erneut Volksgruppen vorgeworfen, schuldig zu sein, und es wird gefragt: Warum müssen wir dafür zahlen?“

Was wirklich geschah

Deshalb, findet der Pfarrer, müsse auch heute an die Geschehnisse am 9. und 10. November 1938 erinnert werden. Die Kirche macht das seit Jahren, hat den Deutsch-Ausländischen Freundschaftskreis (DAF) und die Initiative „Stolpersteine in Karben“ als Co-Veranstalter hinzugewonnen.

„Wir wollen nicht auf Menschen zeigen“, sagt Hartmut Polzer von der Initiative. „Wir wollen erinnern und gedenken.“ Das geschieht konkret: Basis sind Vernehmungsunterlagen und das Protokoll der Verhandlung über das Karbener Pogrom im Januar 1949 am Landgericht Gießen. Fünf Mitglieder der Theatergruppe der Gemeinde St. Michaelis werden den Verlauf der Geschehnisse vortragen. „Es zeigt auf, dass die Verbrechen nicht von Monstern, sondern von Menschen begangen wurden“, sagt Schauspieler und Student Erik-Lân Do Dinh (25). „Dieses Potenzial ist in den Menschen, und wir müssen aufpassen, dass wir es nicht rauslassen.“ Corinna Danzer am Saxophon und Jonas Lohse am Kontrabass spielen dazu Jazz – der unter den Nazis als entartet galt.

Die Texte der Schauspieler seien teils wörtlich aus den Gerichtsakten übernommen worden. „Was vorgetragen wird, ist so geschehen“, erklärt Polzer. „Das räumt auch mit der Legende auf, das alles sei von Auswärtigen gemacht worden.“ Menschen aus allen Stadtteilen hätten sich an den Übergriffen beteiligt. (den)

„Pogromgedenken – Szenische Lesung“ am Donnerstag, 10. November, ab 19.30 Uhr in der Kirche St. Michaelis in Klein-Karben