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Die Zeit der Stille beenden

Die Noten sind quasi unbenutzt, die Stühle im Vereinsheim sauber an der Seite gestapelt:. Heike Ebert vom Gesangverein Heimatliebe in Burg-Gräfenrode hofft, dass es bald wieder losgehen kann. Foto: Kötter
Die Noten sind quasi unbenutzt, die Stühle im Vereinsheim sauber an der Seite gestapelt:. Heike Ebert vom Gesangverein Heimatliebe in Burg-Gräfenrode hofft, dass es bald wieder losgehen kann. Foto: Kötter

Karben / Bad Vilbel. Seit mehr als zwölf Wochen ist das Singen in Chören stillgelegt. Erste Vereine überlegen, die Proben langsam wieder aufzunehmen – doch dafür ist mitunter Kreativität gefragt. Außerdem brechen den Vereinen in Karben und Bad Vilbel die Einnahmequellen weg.
Die Sängerinnen und Sänger in Burg-Gräfenrode hat es besonders hart getroffen. »Wir waren endlich so weit, dass wir gerade wieder eine Routine hatten und das Geübte vertiefen wollten«, sagt Heike Ebert für den Gesangverein Heimatliebe. Vor ihr liegen die quasi noch unbenutzten Notenmappen – eine neue Idee, die gerade erst umgesetzt worden war. Doch kaum waren die Mappen angelegt, begann sich das Coronavirus zu verbreiten – und die Mappen blieben in den Schubladen.
Vereinsräume zu
Die Corona-Pandemie brachte für die Chöre einen kompletten Proben-Stopp mit sich. Nicht nur aufgrund des Kontaktverbots, sondern auch, weil wissenschaftliche Studien dem Singen eine erhöhte Infektionsgefahr aufgrund der Ansteckung durch Aerosole attestiert, wie der Deutsche Chorverband in einer aktuellen Empfehlung schreibt. Oder schlichtweg, weil Räumlichkeiten gesperrt wurden: Der Liederzweig Dortelweil etwa probt in der alten Bürgermeisterei im Stadtteil, die von der Stadt Bad Vilbel Mitte März umgehend geschlossen worden war.
»Wir haben uns donnerstags online getroffen, um den Kontakt zu halten und für ein Stück Geselligkeit«, sagt Michael Munck, Vorsitzender des Liederzweigs Dortelweil. Doch: Chorgesang per Skype, Videokonferenz und Co. sei – auch wenn der Deutsche Chorverband dies explizit als Alternative empfiehlt – faktisch nicht umsetzbar. »Wir haben einmal gemeinsam ›Happy Birthday‹ gesungen, das klang mit all dem Widerhall alles andere als schön«, sagt Munck schmunzelnd.
Auch Ebert betont die Notwendigkeit der gemeinsamen Probestunde – vor allem bei weniger eingespielten Truppen. Zwar habe jeder Sänger seine Noten, doch die Anleitung des Dirigenten sei essenziell, um die Stücke wirklich einzustudieren. Was die Lage in Burg-Gräfenrode besonders drastisch macht: Bereits von Juli bis November 2019 hatte man hier keine Proben, weil damals ein Dirigent fehlte. Nachdem dann Dr. Heino Risse gefunden war, befand man sich gerade in »Aufbruchsstimmung« – die dann jedoch schnell von Corona ausgebremst wurde. Aktuell sei keine Aufnahme der Proben geplant, heißt es.
Proben am Sportplatz
Gleichzeitig brechen durch Corona Einnahmequellen weg. Für die Roggauer Heimatliebe etwa ist das Kelterfest im Herbst eine von drei wichtigen Veranstaltungen, die die Vereinskasse für das Dirigentenhonorar füllen. Doch ob und wie dieses stattfinden kann, steht aktuell auf der Kippe.
Auch in Dortelweil muss an eine große Veranstaltung in diesem Jahr noch ein Fragezeichen gesetzt werden: Ende Oktober soll eigentlich das Herbstkonzert stattfinden. »Voraussetzung für uns wäre, dass wir die Halle wieder füllen dürfen«, sagt Munck.
Umso wichtiger ist es aber, die Proben schnell wieder zu starten. Der Liederzweig setzt dafür auf Proben unter (fast) freiem Himmel: Am Sportplatz gibt es eine überdachte Fläche, auf der die Proben an der frischen Luft stattfinden könnten, hofft Munck. »Wir würden auch in einer großen Scheune proben, oder in einer Tiefgarage«, sagt Munck. Das entspricht den Vorgaben des Chorverbands: In jede Richtung zwei Meter Abstand sollten die Sängerinnen und Sänger demnach untereinander haben. Sollten also Scheuneninhaber oder andere Bürger Ideen für entsprechende Probenorte haben, freuen sich die Sängerinnen und Sänger über eine Einladung – denn die Stille, da sind sich alle einig, dauert schon viel zu lang.