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Ein bibliophiler Schatz – Der Geschichtsverein Karben hat Berichtsbuch des Ratsschreibers von Roggau geschenkt bekommen

Karben. Es gibt Geschenke, die sind Freude und Verpflichtung zugleich. Ein solches Geschenk, in Form eines bibliophilen Schatzes, fiel dem Vorstand des Geschichtsvereins Karben in den Schoß. Der Schenkende ist ein Bürger, der anonym bleiben möchte.

Bei dem zugleich historisch wertvollen wie auf den zweiten Blick schönen Buch, handelt es sich um das Berichtsbuch der Ratsschreiber von Roggau. Diese führten das Buch von 1720 bis 1822 im Auftrag der Herren der Burg Friedberg. „Es gibt Pfarrbücher aus dem 17. Jahrhundert von Rendel und Petterweil, aber kein uns bekanntes weltliches Buch aus Karben“, hebt Gerd Klein, Erster Vorsitzender des Karbener Geschichtsvereins, die Bedeutung des Geschenkes hervor.

Das Buch ist ein wichtiges kulturgeschichtliches Zeugnis. Es spiegelt die wechselnden politischen Machtverhältnisse wider. Roggau gehörte zur Burg-Grafschaft Friedbergs, deren Aufgabe der Schutz der Wetterau war. Die Burgherren hatten ab 1376 die Erwerbung des Freigerichtes Kaichen betrieben.

Das Freigericht Kaichen umfasste die zwölf Ortschaften Kaichen, Heldenbergen, Büdesheim, Rendel, Groß- und Klein-Karben, Okarben, Ilbenstadt, Rodenbach, Altenstadt, Oberau und Rommelhausen. 1806 fiel die Burg Friedberg an das Großherzogtum Hessen. Bereits zuvor ging Burg-Gräfenrode in den Besitz der Herren von Karben über, deren Geschlecht 1729 ausstarb. Ihr Eigentum fiel an den Lehensgeber Solm-Braunfels zurück. Das Gebiet der Burg-Grafschaft Friedberg wurde 1806 mediatisiert (unterworfen) und an Hessen-Darmstadt übereignet. Aus dieser Zeit der Herrschaftswechsel stammt das Berichtsbuch und gibt Schlaglichter der Roggauer Geschichte preis, erhoffen sich die Lokalhistoriker.

Am 14. August 1806 wurde die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, gegen Stellung hoher Militärkontingente an Frankreich und den Beitritt zum Rheinbund, von Napoleon zum Großherzogtum erhoben. Das Land trat aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aus. Durch Artikel 47 der Wiener Kongressakte erhielt Hessen-Darmstadt 1815/16 weitere Gebiete zugewiesen, die unter dem Namen Rheinhessen firmierten. 1815 trat das Großherzogtum Hessen-Darmstadt dem Deutschen Bund bei. Großherzog Ludwig I. beendete mit der am 17. Dezember 1820 eingeführten Verfassung den Absolutismus in seinem Staat. Es entstand eine konstitutionelle Monarchie, in welcher der regierende Großherzog als Oberhaupt des Staates „alle Rechte der Staatsgewalt“ innehatte und als Person „heilig und unverletzlich“ war. Damit endete 1822 die Aufgabe der Ratsschreiber von Roggau.

Wie ein Blick in das Buch zeigt, ist nur die erste Hälfte der Seiten in gestochen scharfen, verchnörkelten Schriften beschrieben. „Alle Seiten machen einen guten Eindruck“, sagt Helmut Schultheiß, langjähriger Mitarbeiter im Geschichtsverein-Archiv. „Das von der Optik her schönste Blatt ist von 1744. Es ist eine Urkunde mit sechs Siegeln von „Jacobus von Coudon“, berichtet Gerd Klein. Starke Gebrauchsspuren zeigt lediglich der weiße Einband auf. Die zweite Hälfte des Buches blieb leer.

„Alle Eintragungen beziehen sich auf Roggau. Bekannte Namen aus Karben sind erwähnt“, informiert Hartmuth Plewe, der seit drei Wochen als ehrenamtlicher Geschäftsführer des Geschichtsvereins aktiv ist. „Im Berichtsbuch enthalten ist unter anderem die Vereidigungsformel für den Schultheiß“, sagt Wolfgang Schlicht. Der Studiendirektor im Ruhestand ist designiertes Vorstandsmitglied des 190 Mitglieder großen Karbener Geschichtsvereins.

Die Herausforderung für die Vorstandsmitglieder besteht nun darin, einen kundigen Leser, Sponsoren, einen Konservator und einen konservatorisch sicheren Aufbewahrungsort für ihren historischen Schatz in Karben zu finden. Den im alten Deutsch mit vielen in Vergessenheit geratenen Begriffen und Formulierungen verfassten Inhalt vollständig lesen kann keins der Vorstandsmitglieder. „Wir sind gerade dabei die Seiten des Berichtsbuches abzufotografieren, damit den Inhalt zu sichern und eine Kopie einem kundigen Leser zur Verfügung zu stellen.“

Anhand der wechselnden Handschriften lässt sich erkennen, dass sich in dem stattlichen Band mehrere Ratsschreiber von Roggau verewigt haben. Sie wechselten ebenso wie die Herrschaften und die Währungen in der über 100 Jahre gehenden Dokumentation.

Der Geschichtsverein sucht Sponsoren, welche die Konservierung des wertvollen Buches ermöglichen. Ist die Konservierung des Berichtsbuches erfolgt, dann soll das in alter Pracht wieder hergestellte Exemplar erstmals in seinem Ursprungsort, Roggau, öffentlich ausgestellt werden. Der Geschichtsverein bezieht voraussichtlich Mitte März sein neues Archiv im Alten Rathaus von Petterweil.