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»Es geht um viel mehr als Diesel-Subventionen«

»Der Dottenfelderhof hat schon früh auf Direktmarketing gesetzt«, sagt Margarethe Hinterlang. Foto: Fauerbach
»Der Dottenfelderhof hat schon früh auf Direktmarketing gesetzt«, sagt Margarethe Hinterlang. Foto: Fauerbach

Bad Vilbel/Karben. Die Bauern gehen auf die Straße und demonstrieren, zuletzt am Wochenende, an den Zufahrten zum Frankfurter Flughafen. Die Gründe für die Proteste sind vielfältig. Zwei Biobauern aus Bad Vilbel und Karben schildern, warum sie sich bisher nicht an den Bauernprotesten beteiligt haben.
In der Landwirtschaft liegt vieles im Argen. Und dies seit Jahrzehnten. Immer mehr Höfe sind in ihrer Existenz bedroht. Sinkenden Einnahmen stehen einer Flut von Gesetzen und Verordnungen gegenüber. Aus diesen Gründen gehen Landwirte in Deutschland und jetzt auch in Frankreich auf die Straße.
Auslöser für die vom Deutschen Bauernverband organisierten Proteste waren die geplanten Subventionskürzungen der Ampel-Koalition. Sie beinhalten beispielsweise die Streichung der Agrardieselsubventionen (22,5 Cent pro Liter). Die Bauern fordern von der Politik ein grundsätzliches Umdenken. Sie benötigten Planungssicherheit und wirtschaftliche Perspektiven.
An den Bauernprotesten in Hessen und Deutschland haben sich konventionelle Landwirte wie auch Biobauern beteiligt. Aus unterschiedlichen Gründen haben sich andere landwirtschaftliche Verbände wie der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, der 38 Verbände wie Bioland, Demeter oder Naturland vertritt, sowie Biobauern und konventionelle Landwirte an den Demonstrationen nicht beteiligt. Zu ihnen gehören die beiden Biolandwirte Sebastian Mager in Klein-Karben und Margarethe Hinterlang vom Dottenfelderhof in Bad Vilbel.
Sebastian Mager setzt sich für eine Agrarwende ein. Er sagt: »Die Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte hat die Proteste verursacht. Bei den Landwirten ist der Frust groß.« Die Bundesregierung versuche, den Haushalt auf Kosten der Landwirtschaft zu sanieren. Doch der ökologische Umbau könne nur funktionieren, wenn der Staat in ihn investiere. Da die Gruppe der Bauern extrem heterogen sei, könne nicht nach dem Gießkannenprinzip gefördert werden. Zudem seien große Betriebe gegenüber kleinen und mittleren Betrieben wirtschaftlich im Vorteil. Sie setzen auf Masse und erhalten derzeit aufgrund von EU-Bestimmungen am meisten Geld. »Die bestehende Agrarpolitik übervorteilt größere landwirtschaftliche Betriebe, weil die Höhe der finanziellen Mittel, die vom Staat kommen, hauptsächlich über die von einem Betrieb bewirtschaftete Fläche ermittelt werden. Unser Betrieb, sowie der Großteil der Wetterauer Biobetriebe, ist eher klein. Deshalb möchte ich nicht an der Seite von größeren Betrieben für eine Beibehaltung der bisherigen, in meinen Augen ungerechten Förderpolitik demonstrieren.«
Sebastian Mager spricht sich für eine Deckelung der Agrardieselbeihilfe aus. »Würde man kleinere Betriebe unterstützen wollen, hätte man den Agrardiesel auf einen Betrag X je Betrieb deckeln können und dadurch eine Menge Geld im Bundeshaushalt einsparen können. Dies wäre aus meiner Sicht eine gute Kompromisslösung zwischen den Bauern und der Regierung.« Er fragt: »Warum kommt so ein Vorschlag nicht vom Bauernverband?«
Es gebe viele Probleme in der Agrarpolitik und verschiedene Lösungsansätze.« Zu den nachgewiesenen Problemen, welche die Landwirtschaft verursache, gehöre die Überdüngung. Sie führe seit Jahren dazu, dass die Gewässer in Deutschland durch Ausschwemmen der überschüssigen Düngerbestandteile ins Grundwasser mit zu viel Nitrateinträgen belastet würden. Der Schutz von Wasser, Boden und Luft und damit die Lebensgrundlagen der Gesellschaft müssten vom Staat durch entsprechende Gesetze geschützt werden. »Da muss auch die Landwirtschaft ihrer Verantwortung gerecht werden. Das beruht auf keiner Ideologie, sondern das sind allgemein wissenschaftlich anerkannte Erkenntnisse.«
Margarethe Hinterlang vom Dottenfelderhof sagt: »Ich habe an den Protesten nicht teilgenommen, weil es um viel mehr als die Dieselinvestitionskürzungen geht. Es gibt 1000 Gründe, warum die Bauern protestieren. Vor allem den Milchbauern geht es schlecht. Würde ihre Milch angemessen bezahlt, wären Subventionsstreichungen für viele nicht so existenziell.« Sie plädiert dafür, die Preise für Lebensmittel vom Erzeuger her zu denken. Die vom Handel und Zwischenhandel erzielten Gewinne kommen bei den Bauern nicht an.
Agrarsubventionen müssten gerechter, sprich gemeinwohlorientiert, verteilt werden. Förderprogramme geben Landwirten keine langfristige Sicherheit. »Es gibt Schutz für Wald, Wasser und Luft, aber nicht für landwirtschaftliche Flächen. Das Thema Nachhaltigkeit wird völlig außer Acht gelassen.« Wichtig sei eine regionale Wertschöpfung. Die Ausweitung von Direktmarketing auch außerhalb von Wochenmärkten und Außer-Haus-Verpflegung wären Möglichkeiten.
Weitere wichtige Themen für Landwirte sind Marktabhängigkeit, Preispolitik, Landspekulation, eine gentechnikfreie Landwirtschaft, Tierwohl, Biodiversität, Luft-, Boden- und Wasserschutz sowie eine bessere Absicherung durch höhere Renten und Sozialleistungen. Sollte es zu den angekündigten Streichungen kommen, dann müssten die Gelder auch weiterhin in der Landwirtschaft verbleiben. »Was den Bauern zudem fehlt, dass ist die Wertschätzung für ihre tägliche harte körperliche Arbeit durch die Gesellschaft. Viele produzieren gute Lebensmittel, machen ihre Arbeit mit Herz und Verstand und kümmern sich um das Tierwohl«, betont Hinterlang.
Von Christine Fauerbach