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Glücklich in der Schule

Flüchtlingskind Iman ist erst kurz in Deutschland • Rotes Kreuz hilft bei der Erstausstattung

Wenn anerkannte Flüchtlinge ihre Familien nachholen dürfen, stehen Schulen vor Problemen. Denn an ihnen liegt es nun, auch die Kinder auf ihr künftiges Leben in Deutschland vorzubereiten. Kein einfacher Job, doch in Bad Vilbel gibt es Hilfe.

Bad Vilbel. Die neunjährige Iman ist ein fröhliches Kind. Erst seit 8. Februar darf sie ihren Papa Jalal Fakhrou wieder in die Arme schließen. Der musste nach seiner Flucht aus Syrien knapp anderthalb Jahre warten, bis er seine Frau Alaa Algajban, Iman und eine weitere Tochter (18 Monate) zu sich holen durfte.

Seit gut zwei Wochen nun geht Iman in die Schule. Sie sitzt in der Intensivklasse, soll schnell Deutsch lernen. Dazu gibt es moderne Hilfsmittel: Mit einem elektronischen Stift drückt sie auf ein Bild. Eine Stimme sagt „T – der Tiger“. Fröhlich wiederholt sie das Gehörte, wird von Lehrerin Dorothea Reinig-Stender für ihren Fleiß gelobt.

Schulbedarf gespendet

Doch nicht alles läuft so gut. Als Iman in die Bad Vilbeler Saalburgschule kam, hatte sie keinerlei Ausstattung. Schon öfter hat Rektorin Evelyn Neumann dann bei Silke Zuschlag im Kleiderladen des Deutschen Roten Kreuzes angerufen. „Wir helfen gerne und so oft wir können“, sagt Zuschlag. Es sei jetzt das sechste Kind, das eine komplette Ausstattung bekomme. Dazu gehören nicht nur der Schulranzen, ein vollausgestattetes Mäppchen, Hefte und Blöcke, sondern auch Turnschuhe und eine Sporthose. Anderen Flüchtlingskindern habe sie mit einzelnen Bedarfsmitteln wie Turnschuhen aushelfen können. Nicht nur Schulen, auch die Stadt frage öfter bei ihr an.

15 Kinder besuchen derzeit die Intensivklasse an der Grundschule. „Diese Klasse haben wir seit Anfang des Schuljahres“, schildert Rektorin Neumann. Es sind nicht nur Flüchtlingskinder, sondern auch Kinder ausländischer Eltern, die aus beruflichen Gründen nach Bad Vilbel gezogen sind. Zwei Jahre besuchen die Kinder die Klasse, dann können sie in der Regel so gut deutsch, dass sie in eine Regelklasse wechseln können, nur noch Intensivkurse besuchen.

Bereits früher sollen die Kinder auch Regelklassen kennenlernen. „Iman erhält jetzt eine Intensivschulung bis nach den Osterferien, dann soll sie Fächer wie Sport und Kunst in einer normalen Klasse besuchen“, skizziert die Rektorin den fließenden Übergang. Doch es gebe auch Kinder, die bereits sehr früh wechseln könnten und dann auch benotet werden.

Doch eine eigens für diese Belange ausgebildete Lehrerin gibt es dafür nicht. „Wir dachten auch, dass wir hier Hilfe vom Land bekommen“, sagt Neumann. Ein Glücksfall war es, dass Dorothea Reinig-Stender gerade eine vierte Schulklasse abgegeben hatte und nicht wieder mit einer ersten Klasse anfangen wollte. Denn sie hat bereits Erfahrungen mit Vorlaufklassen in Kitas gesammelt, weiß, wie man auf Kinder zugehen kann, die kein bis sehr wenig deutsch können. „Die Kinder schaffen das“, ist sie optimistisch.

Bei Iman sei der Vorteil, dass sie bereits Englischunterricht in Syrien hatte, das lateinische Alphabet und die Schreibweise von links nach rechts kennt. Da gibt es bei anderen Kindern Probleme“, schildert die Lehrerin. Doch nach einem Jahr könnten die Kinder meist schon super deutsch sprechen.

Traumatische Erlebnisse

Ältere Kinder hätten mehr Probleme. So gibt es an der benachbarten John-F.-Kennedy-Schule zwei Intensivklassen. „Die Schüler sind in der Pubertät, das macht es für alle schwieriger“, sagt Neumann.

Für alle Altersstufen gebe es auch Schreckmomente. Dann, wenn sie mit ihrer Flucht nach Deutschland konfrontiert werden. „Oft erzählen sie nicht viel davon. Wenn es aber um Vokabeln wie etwa zur Fortbewegung geht, kann es zu traumatischen Erinnerungen kommen. Hier hat jeder sein Päckchen zu tragen“, erklärt Reinig-Stender und erinnert sich an einen Jungen, der drei Mal aus dem Mittelmeer gefischt wurde, bevor er schließlich Griechenland erreichte.

Iman aber macht einen glücklichen und zufriedenen Eindruck. Bei ihren Mitschülern kommt das wohl gut an. So haben ihre Klassenkameraden gesehen, dass sie keine Ausstattung für den Unterricht hat. Ein Mädchen überreichte ihr dann ein volles Mäppchen, alle Stifte waren bereits angespitzt. Nun hat Iman ihr eigenes Mäppchen. Und kann so richtig Deutsch lernen.

Intensivklassen


Intensivklassen sind ein verpflichtenes Angebot für Neuankömmlinge, die keine oder schlechte Deutschkenntnisse haben. Bislang stammte die Mehrheit der Kinder, die in Intensivklassen Deutsch lernen und auf den Besuch einer Regelklasse vorbereitet werden, nicht aus Familien von Asylbewerbern, sondern von Arbeitsmigranten aus EU-Ländern. Dazu gehören vor allem Italien, Spanien und Polen. Doch dieses Verhältnis wandelt sich nun. (kop)