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Große Redeschlacht

Bei der Generaldebatte zum Bad Vilbeler Haushalt 2017/2018 wird mit deutlichen Worten nicht gespart. Während die Regierungskoalition aus CDU und FDP sowie die Freien Wähler vor allem die Haushaltsdisziplin von Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) loben, vermisst die Opposition aus SPD und den Grünen vor allem eines: den Mut zur Vision.

Irene Utter (CDU) lobt vor allem, dass Bürgermeister Thomas Stöhr den Weg der Sparsamkeit trotz großer Herausforderungen und Investitionen einhält: „Das alljährliche Unken der Opposition zum Schuldenstand ist dieses Mal ausgeblieben. Zu Recht.“

Doch sie nutzt ihre Rede auch zu verbalen Hieben auf die Grünen: „Bedauerlicherweise setzen die Grünen hier ihre Tradition gegen die Sportvereine fort, die Uli Rabl mit dem Satz geprägt hat, die Stadt sei, Zitat: ,Kein Selbstbedienungsladen‘ für die Vereine, die in ,Saus und Braus leben‘, oder Ihr ehemaliger Kollege Erlenbeck, der das ,Strammstehen‘ im Verein kritisierte. Ihre Einsparbemühungen treffen im wesentlichen Sportvereine, und das ist ein Schlag ins Gesicht der vielen Ehrenamtlichen, die sich dort für Jugendliche engagieren.“

Auch bei den Burgfestspielen – ein Antrag der Grünen – dürfe man nicht kürzen: „So etwas Wertvolles darf man nicht kaputtsparen.“

Doch auch die SPD erhält Kritik, wenn es um Anträge für den Wohnungsbau auch für sozial Schwache geht: „Auch die SPD hat leider nicht verstanden, dass wir mit den Erlösen aus den Grundstücksverkäufen unsere Schulden tilgen und sie nicht zum Konsumieren verbrauchen wollen.“

Jörg-Uwe Hahn (FDP) bezeichnet die Beratungen zum Haushalt als „konstruktiv und ohne Schaum vor dem Mund. Das war auch schon einmal ätzend gewesen.“

Dass die Grünen den Haushalt als nicht nachhaltig bezeichnen, dem erteilt Hahn eine Abfuhr: „Der Haushalt ist nachhaltig, das betrifft das Klima, aber auch die Finanzpolitik. Da haben wir uns in den vergangenen 20, 30 Jahren nicht mit Ruhm bekleckert“, erinnert er an einst hohe Schuldenstände. Doch inzwischen erinnerten sich die Verantwortlichen an die Tugenden der „schwäbischen Hausfrau“.

Um mehr Geld einzunehmen, habe man mit den Verkäufen im Quellenpark für Wohngrundstücke bewusst abgewartet. Und auch heute verkaufe man Gewerbeflächen nicht einfach so. Deswegen habe man auch die Großmetzgerei Wilhelm Brandenburg nicht angenommen. „Wir hätten den Quellenpark schon lange verkauft, sind aber sehr wählerisch.“

Die Entschuldung bezeichnet Hahn als den wichtigeren Teil gegenüber hoher Investitionen in die Klimapolitik. Doch hier seien es auch die Stadtwerke, die in alternative Energien investierten.

Raimo Biere von den Freien Wählern lobt wie seine Vorredner das Werk von Bürgermeister Stöhr. Doch er hat auch Kritik, und zwar für Kreis, Land und Bund. „Mit dem Herbsterlass 2014 wurde eine Steuererhöhungsspirale bei Grund- und Gewerbesteuer sondersgleichen in Gang gesetzt. Zudem wurden bei den Berechnungen der Schlüsselzuweisungen für die Kommunen durch das Land Hessen bei den Einnahmen immer die Höchstwerte genommen und bei den Ausgaben nur der Durchschnittswert. Diese Vorgehensweise kann man nur als Kartenspielertricks beschreiben.“

Nach einem Vergleich der städtischen Zuschüsse für Burgfestspiele, Musikschule und Kitas geht Biere auf Anträge der Grünen und der SPD ein: „Die Anträge der SPD haben keine Gegenfinanzierung.“ Bei den Grünen schon, aber: „Gegenfinanzierungen wie die Streichung des Neubaus der Feuerwehr Gronau können keine Zustimmung von uns bekommen. Weitere vorgeschlagene Reduzierungen von Haushaltsansätzen können vielleicht planwirtschaftlich per Federstrich dargestellt werden, aber das hat schon in der DDR nicht funktioniert.

Christian Kühl (SPD) kritisiert den Beschluss zu gestiegenen Kita-Gebühren, doch nicht nur die seien betroffen: „Wenn man die Wahlperiode Revue passieren lässt, so verging kaum eine Stadtverordnetensitzung, in der wir nicht Gebühren oder Steuern erhöhen mussten.“

Kühl spricht auch von Glück: „Dass die Grundstückspreise für Wohnbebauung so explodieren würden, konnte vor Jahren niemand ahnen.“ Das eingenommene Geld werde aber nicht sinnvoll verwendet: „Es fällt auf, dass der Finanzhaushalt nur Investitionen enthält, die entweder notwendig sind oder von denen sich der Magistrat eine Verbesserung des Images versprechen.“

Neben Investitionen in den Wohnungsbau vermisst Kühl auch „eine Zukunftsvision, wie Sie mit der immer größer werdenden Verkehrsproblematik umgehen wollen. Schon momentan kommt es an einigen Stellen fast täglich zu längeren Staus. Wie das aussehen wird, wenn die neuen Mitbürger hier leben und das Spaßbad eröffnet ist, kann sich jeder vorstellen.“

Sein Fazit: „Die wichtigen und schwierigen Themen gehen Sie nicht an. Auch weil viele dieser Themen von Ihnen politisch nicht gewollt sind.“

Jens Matthias (Grüne) spricht ebenfalls von Glück. „Durch die explodierenden Grundstückspreise konnten wir den Finanzhaushalt sanieren.“ Aber: „Die Gewerbegrundstücke liegen wie Blei in den Büchern.“ Dann kommt seine Kritik. Denn die Einnahmen würden für „Prestigebauten“ verwendet. Matthias rechnet dies am Beispiel Büchereibrücke vor. Allein an Abschreibungen müsse die Stadt 500 000 pro Jahr einrechnen, 1,30 pro entliehenes Buch.

Dann kommt der Rundumschlag: „Wenn man durch Ihren Haushalt geht, sieht man, wo ihre Schwerpunkte liegen: Beton und Prestige. Aber Ihr Haushalt gibt keine Antworten auf die Wohnungsnot, keine auf den Verkehrsinfarkt und keine auf die sozialen Herausforderungen. Ihr Haushalt gibt keine Antwort auf den Klimawandel. Wir hatten Glück und profitieren von höheren Steuereinnahmen und Grundstückspreisen. Da ist kein zukunftsgerichteter Haushalt. Das ist nicht unser Haushalt.“ (kop)