
Bad Vilbel. Bereits zum dritten Mal steht die Kriminalkomödie »Arsen und Spitzenhäubchen« bei den Bad Vilbeler Burgfestspielen auf dem Spielplan, diesmal in einer doppelbödigen Neuinszenierung. Die Premiere am Freitag, 30. Mai, markiert zugleich die offizielle Eröffnung der 39. Saison der Bad Vilbeler Burgfestspiele.
Wohin mit den vielen einsamen Herren, die in der Nähe des anheimelnden großbürgerlichen Hauses im New Yorker Stadtviertel Brooklyn leben? Für dessen betagte und liebenswerte Eigentümerinnen, die etwas tüdeligen Schwestern Abby Brewster (Eva Brunner) und Martha Brewster (Beatrix Doderer), ist die Sache klar: Die Ärmsten müssen von ihrem beklagenswerten Zustand erlöst werden, und zwar mithilfe von Holunderbeerenwein – vermischt mit Arsen und anderen Giften.
»Arsen und Spitzenhäubchen«, die Kriminalkomödie von Joseph Kesseling, kam 1941 auf die Bühne und avancierte am Broadway zum damals erfolgreichsten Stück aller Zeiten. Geldgeber und einer der Hauptdarsteller war Boris Karloff, bekannt als Frankensteins Monster von 1931.
Große Pflanzen
als Hingucker
»›Arsen und Spitzenhäubchen‹ wurde bereits 1997 und 2012 erfolgreich in der Wasserburg gezeigt«, erläutert Dramaturgin Angelika Zwack beim Pressegespräch, das im Kultur- und Sportzentrum Dortelweil vor der maßstabgenauen Probenbühne stattfindet. Großflächige Blattpflanzen bedecken die Wände des Salons der Brewster-Schwestern. Neben gehobener Eleganz stellt das Bühnenbild von Claus Stump auch einen verwirrenden Dschungel dar, ein Fenster mit einer geheimnisvollen Truhe darunter gewährt Blicke ins Freie, eine Treppe führt in ein unsichtbares Dachgeschoss, eine andere wiederum in einen dunklen Keller, der wohl mehr als eine Leiche verbirgt. »Auf diese Doppelbödigkeit hinter dem bürgerlichen Schein, auf das Geheimnis hinter der Fassade und dem schmalen Grat zwischen Normalität und Wahnsinn kommt es bei ›Arsen und Spitzenhäubchen‹ an«, erläutert Regisseur Jan Langenheim, der für diese Inszenierung eng mit Dramaturgin Angelika Zwack, mit Regieassistentin Marion Gutierrez wie auch mit Kostümbildnerin Anja Jungheinrich zusammenarbeitet. »Kostüme wie das Bühnenbild spiegeln die Brüchigkeit des Geschehens wider: Vordergründig kann sich das Publikum an rasanten Dialogen voller schwarzem Humor erfreuen. Auf tieferen Ebenen ist das Stück in der deutschen Fassung von Regisseur Harald Demmer eine reizvolle intellektuelle Herausforderung, für die Akteure ebenso wie für die Zuschauenden.«
So müsse man Handlung und Gespräche hellwach verfolgen, um jede unerwartete Wendung, jede Pointe, jeden Kipppunkt und jede weitere Enthüllung verfolgen zu können. »Nicht zuletzt ist das Ganze von erschreckender, oft aber auch erheiternder Aktualität«, fährt Langenheim fort. »Dies rührt auch daher, dass sich Amerika 1941 ebenfalls in einer instabilen, krisen- und kriegsgeschüttelten Weltlage befand: Man erwog, in den Krieg gegen Nazi-Deutschland einzutreten.« Unsichere Situationen und Zeiten sind das zentrale Thema in der aktuellen Inszenierung, in der außer den beiden mordlustigen Schwestern auch deren untadeliger Neffe, der Theaterkritiker Mortimer Brewster (Friedemann Eckert) und dessen soeben angetraute Braut, die Pfarrerstochter Elaine Harper (Virginia V. Hartmann), sowie Teddy Brewster (Steffen Weixler) als verwirrtes Alter Ego von Ted Roosevelt und der gruselige Jonathan Brewster (Jan Henning Kraus) als Persiflage auf Frankensteins Monster mitmischen.
In weiteren Rollen agieren in Bad Vilbel Peter Albers als Dr. Einstein, Kai Möller als Reverend Dr. Harper und Mr. Whitherspoon, Marc Scheufen als Polizist Klein, Andreas Krämer als Leutnant Rooney und Mr. Gibbs sowie Stefan Kiefer als O’Hara.
Schwarzer Humor
hilft immer wieder
»Wir mussten das Stück nicht gegen den Strich bürsten, um zu zeigen, dass es auch im Heute spielen könnte – und wie befreiend es ist, einen großen Schrecken mit Humor, am besten in seiner schwarzen Variante, zu nehmen«, sagt Regisseur Jan Langenheim. »Dagegen geben wir der gängigen Aufführungspraxis einen Frischekick, was anspruchsvoll war, denn das gesamte Stück ist schon in seiner ersten Bühnenfassung stringent durchgestaltet. Aber es hat sich gelohnt, der Spaß war groß – und dieses Lachen inmitten aller Sorgen ist es, was unsere Publikum mitnimmt.« Von Inge Schneider