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Mit dem Schlitten fahren – Wie Mensch und Tier in Feld und Wald mit dem vielen Schnee und der Kälte klarkommen

Karben. Tief verschneit ist die Wetterau – für manchen ist das ein Wintermärchen, für andere aber bedeutet es zusätzliche Arbeit. Ein Schneespaziergang durch Wald und Flur zwischen Nidda und Nidder.

Weit durch die Kälte der winterlichen Rendeler Wiesen senden die Schellen ihren Klang. Ein besonderes Geräusch. Denn nur selten kommen sie auf den Haflingern zum Wintereinsatz. „Früher haben wir das öfter gemacht“, sagt Albrecht Windecker (79) und rückt seine Zipfelmütze ein wenig tiefer.

Den Schlitten einzuspannen, das hatte sich Windecker gewünscht. Für Helmut Mertins (62) keine Frage: Mit dem Schnee ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen, den alten Schlitten aus der Scheune zu holen. Mertins und sein Sohn Alexander Meurer spannen Stute Fanny (12) und Wallach Poldi (9) vor den Schlitten. „Der ist noch von meinem Großvater“, berichtet Albrecht Windecker und legt seine rechte Hand auf das Gefährt.

Bei den ersten zwei, drei Runden um den Hof Geckeler hinterlassen die Kufen nach dem jahrelangen Winterschlaf noch rötliche Rostspuren im Schnee. Dann lenkt Helmut Mertins den Schlitten gen Osten. Die Haflinger geben Gas.

Sechs der kleinen Pferde halten die Mertins’ – und damit eine Rendeler Tradition am Leben. Diese ist die Geschichte von Albrecht Windecker. Über Jahrzehnte hinweg züchtete er Haflinger. „Sie sind leichtfuttrig, geländegängig, haben einen guten Charakter“, schwärmt der Senior. Als robustes Pferd eigne es sich besonders für den Reiternachwuchs. Windecker hatte das früh verstanden und deshalb viel Erfolg mit seiner Zucht.

Als er 65 wurde, setzte er sich allerdings zur Ruhe. Was Windecker natürlich nicht lange durchhielt. Deshalb hilft er nun regelmäßig bei den Mertins aus, steht den Pferdefreunden hilfreich zur Seite und steuert im Sommer die Kutschen – auch schon einmal bis Köppern.

Im Norden Karbens stapft Armin Blatt durch den Schnee. In der Hand hält er einen Eimer mit Körnerfutter, denn zweimal die Woche legt er Winternahrung für die Fasane und Rebhühner aus. „Jetzt ist echte Not für das Wild, sie finden nicht mehr viel“, sagt der Jagdpächter des Groß-Karbener Reviers und steuert eine seiner Wildschütten im Naturschutzgebiet Einsiedel an. Begleitet wird er von Willi Hudert, der ihn bei der Hege und Pflege im Revier unterstützt.

Tauben fliegen auf, eine Amsel macht sich davon, nur Fasane oder Rebhühner sind nicht zu sehen. Doch Blatt weiß, dass sie regelmäßig die Wildschütten aufsuchen. Besonders um den Bestand der Rebhühner macht er sich Sorgen, denn sie sind auch noch aus einem anderen Grund im Winter besonders gefährdet: Ihre Fressfeinde wie Habicht und Bussard können sie in der schneebedeckten und kargen Landschaft schnell ausmachen.

Blatt und Hudert steigen in den Jeep und fahren die nächste Wildschütte an. Hier versorgen sie vor allem Rehe mit Mais und Weizenbruch, seitdem eine feste Schneedecke über dem Land liegt. „Die Futtersuche ist für sie jetzt schwer, auch wenn sie an allem knabbern, an das sie herankommen: Äste, Zweige, Baumrinde und Gräser, die sie sich freischarren.“

Im Winter ziehen sich die Rehe in den Wald zurück, liegen in ihren Einständen und halten so ihren Energieverbrauch niedrig. Ihre Bewegungsaktivität ist gering – wenn sie nicht durch Menschen oder frei laufende Hunde gestört werden. Die niedrigen Temperaturen sind in der Regel kein Problem für die Tiere, denn ihr dichtes Winterfell schützt sie vor Minusgraden.

Blatt und Hudert werfen einen letzten Blick über die schneebedeckte Landschaft und entdecken einen Hasen, der im Zickzack über das Feld rennt. „Denen macht der Winter nicht viel, sie sind jetzt schon in Rammlerlaune“, sagt Blatt und steigt zu Hudert in den Wagen.

In zwei, drei Tagen werden sie wiederkommen und prüfen, ob Futter nachgelegt werden muss. Über eines ist sich Armin Blatt sicher: Wäre der Lebensraum für die Wildtiere ausreichend, müsste er sich nicht so viel Sorgen darum machen, wie sie durch den Winter kommen.

Derweil: Durch den Schnee kommen Helmut Mertins und Albrecht Windecker mit ihrem Gefährt ohne Probleme. „Früher konnte man öfter fahren“, erinnert sich Windecker. Von den Wiesen zwischen Nidda und Nidder geht es hinauf Richtung Karbener Wald und dann hinüber gen Büdesheim. Zwei Stunden werden die beiden am Ende unterwegs sein. Dünner Dampf steigt aus dem Fell der Haflinger auf. „Schon ganz schön frisch“, sagt Albrecht Windecker und schmunzelt. So wird eine winterliche Schlittenfahrt zum Jungbrunnen. (den/ado)