
Dau: Ach du warst es, der die 95 Thesen an die Kirchentür in Wittenberg genagelt hast. Danach ist kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Über Jahrzehnte hinweg. Wann war das eigentlich?
Lu: am Dienstag, 31. Oktober vor 500 Jahren!
Dau: Woauh! Darum haben wir also nächste Woche einen arbeitsfreien Feiertag. 500 Jahre Reformation! Das ist ja ein halbes Jahrtausend. – Und was ist heute Dein Anliegen?
Lu: Ich habe Ärger!
Dau: Was hast Du angestellt? Bist Du in Okarben geblitzt worden oder hast Du etwa Schummelsoftware in die Bibel eingebaut?
Lu: Mach Dich nur lustig! Ich bin total unschuldig. Und alles was ich gemacht habe, ist, dass ich anderen Menschen die Augen geöffnet habe, damit diese Welt besser wird. Ich habe als Theologieprofessor Vorlesungen gehalten und Diskussionen veranstaltet. Ich habe voller Begeisterung gepredigt und Bücher geschrieben. Und alles nur mit dem Inhalt, dass Gott uns Menschen liebt, und dass man dafür keinen Ablass bezahlen muss. Genau das, was Jesus auch gesagt hat, und wie es bei dem Apostel Paulus in der Bibel steht.
Dau: Und was ist daran so schlimm?
Lu: Dem Papst gefällt das nicht, weil keiner mehr den Ablass kauft. Darum hat er mir eine Bannbulle geschickt. Jetzt darf ich nicht mehr predigen und keine Flugblätter oder Bücher mehr schreiben. Ich fühle mich gefangen. Dabei ist doch der Christenmensch ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan!
Dau: Dr. Luther, was hast Du nun vor?
Lu: Erst verbrenne ich diese Bannbulle und dann will ich dem Papst die Augen öffnen. Darum habe ich im Jahr 1520 dem Papst einen Antwortbrief geschickt mit dem Titel „Von der Freiheit eines Christenmenschen“.
Dau: Und was schreibst Du darin?
Lu: Dass wir Menschen zwei Körper haben.
Dau: Wie bitte? Zwei Körper? Ich sehe doch nicht doppelt! Bei Dir kann ich nur einen Körper entdecken und bei mir auch nur einen. Oder hast Du einen unter dem Talar versteckt?
Lu: Du bist gar nicht so schlecht. Jeder von uns Menschen hat noch einen zweiten Körper in sich versteckt. Sozusagen unter dem Hemd: Jeder Mensch hat nämlich zwei Naturen: unseren Körper, den wir sehen und fühlen können. Der gerne trinkt und leckere Sachen isst. Und dann hat jeder Mensch noch eine geistliche Natur: da essen wir geistliches Brot, denn das braucht unsere Seele: Worte, die gut tun. Da gehen unsere Gedanken spazieren, sind frei und können von einem Ort zum anderen fliegen.
Dau: Coooool!
Lu: Darum ist dieser geistliche Christenmensch ein freier Herr und niemandem untertan. Täglich braucht er geistliche Nahrung, um sich zu stärken.
Dau: Und was isst der so?
Lu: die Bibel
Dau: Was? Ein Christenmensch muss täglich eine Bibel essen?
Lu: So ungefähr. Täglich gute Worte aus der Bibel zu sich zu nehmen, macht die Seele satt. Dann fühlen wir uns frei und gesund und wollen uns nicht von anderen unterdrücken lassen.
Dau: Und was hat das mit dem anderen Körper zu tun? Ist der dann auch satt?
Lu: So ähnlich! Denn wenn die Seele rein ist, dann will sie auch gute Werke für sich und andere vollbringen. So ist ein Christenmensch auch ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan. Denn es macht ihm Freude, anderen zu helfen. So lebt ein Christenmensch nicht in sich selbst, sondern durch den Glauben in Christus und durch die Liebe in seinem Nächsten.
Dau: Dr. Luther, ich danke Dir für dieses Gespräch. – Dann wollen wir mal schauen, was die Kärber und Bad Vilbeler damit anfangen. Haben die auch zwei Körper?
Herzlichst
Eckart Dautenheimer
evang. Pfarrteam Karben