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Per Furt durch die Nidda

Diese Bäume stehen falsch: Sie sehen zwar gut aus, doch dem Fluss und dessen Bewohnern bringen sie oben auf dem Damm nichts. Nach der Renaturierung werden daher neue Bäume unten am Ufer gepflanzt. Foto: Dennis Pfeiffer-Goldmann
Diese Bäume stehen falsch: Sie sehen zwar gut aus, doch dem Fluss und dessen Bewohnern bringen sie oben auf dem Damm nichts. Nach der Renaturierung werden daher neue Bäume unten am Ufer gepflanzt. Foto: Dennis Pfeiffer-Goldmann

Teilstück zwischen Kernstadt und Dortelweil wird über eine Länge von 500 Metern renaturiert

Bad Vilbel. Der nächste Abschnitt der Nidda-Renaturierung steht an: Nördlich der Bad Vilbeler Kernstadt soll der Fluss auf 500 Metern Länge seinen Kanal-Charakter verlieren. Vorrang bekommt damit nicht nur die Natur, sondern  auch für Radfahrer und Fußgänger auf dem Niddaradweg wird es bequemer – und auch für Rinder.

Das wird ein Anblick sein, an den sich nur noch Großeltern erinnern: Rinder stapfen durch die Nidda, das Flusswasser spritzt auf. Von einem Ufer ans andere, von einer Weide auf die nächste sollen die Tiere des Dottenfelderhofs schon ab diesem Sommer die Nidda durchqueren können – mithilfe einer Furt bei ganz niedrigem Wasserstand.
Die Furt ist der wohl eindrücklichste Bestandteil des nächsten Projekts zur Nidda-Renaturierung. Kommende Woche sollen die Bauarbeiten für sie nördlich der Bad Vilbeler Kernstadt beginnen. Auf rund 500 Metern Länge zwischen der Büdinger Straße und dem Rosengarten soll der Fluss ein natürlicheres Ambiente erhalten.
»Einen sechsstelligen Euro-Betrag« wendet die dem Tier- und Naturschutz verpflichtete Frankfurter Gerty-Strohm-Stiftung dafür auf. Das erklärt auf Nachfrage ihr Vertreter Hans-Georg Jehner aus Bad Vilbel. Seit mehr als zwei Jahrzehnten engagiert sich die Stiftung bereits bei der Nidda-Renaturierung.

BUCHTEN UND BUHNEN
»Drei Wochen Bauzeit«, kündigt Gewässerökologe Gottfried Lehr an – Verzögerungen durch allzu feuchtes Wetter oder Frost  nicht mitgerechnet. Vom Renaturierungsabschnitt der Hassia aus dem Jahr 2015 bis knapp in Höhe des Parkplatzes der Straße Im Rosengarten soll der Fluss mehr Platz bekommen. Dafür wird der Hochwasserdamm zurückversetzt, der Fluss vom steinernen Ufer und Bett befreit. Dadurch können die Nidda verbreitert und Buchten, Aufweitungen, Buhnen und kleine Landzungen eingebaut werden.

»Bisher ist die Nidda hier ein Kanal mit kosmetischem Begleitgrün«, sagt Lehr. Und die Bäume auf der Dammkrone? »Alibi«, winkt der Experte ab. Zwar sei es »nicht schön«, Bäume zu fällen. Doch sei der Fluss-umbau anders nicht möglich. »Ohne Baumfällungen erhalten wir hier nicht die ökologische Vielfalt«, erklärt der Fachmann. »Ein gesunder Fluss besteht aus einem geschlossenen Bestand an Erlen, Weiden und Eschen.«
Die könnten aber nicht einfach in den Kanal hineingepflanzt werden, da dessen Durchfluss ein 100-jähriges Hochwasser aushalten müsse, betont Erster Stadtrat Sebastian Wysocki (CDU). Andernfalls drohe die Innenstadt von Ba dVilbel überflutet zu werden, ergänzt Lehr. Daher werden die Nidda aufgeweitet und die Ufer abgeflacht.

NATÜRLICHE KLIMAANLAGE
Der Fluss erhält mehr Raum zum Fließen und auch für Bäume. Diese seien im Wasserbereich notwendig, aber nicht auf der Dammkrone, sagt Lehr. »Wir benötigen die Bäume mit ihrem Schatten als natürliche Klimaanlage fürs Wasser.« Um fünf Grad könne so die Flusstemperatur im Sommer gesenkt werden. Nach Ende der Bauarbeiten sollen schnell wachsende Weiden gepflanzt werden.

Erleben sollen Menschen die Natur unter anderem von Aussichtspunkten mit Sitzbänken und Tischen aus. Da der Dottenfelderhof direkt an die Nidda angrenzt, will Lehr aus dem Kies aus alten Hochwasserdämmen auch eine Furt durch den Fluss hindurch formen. Der biologisch-dynamische Landwirtschaftsbetrieb soll dann seine Rinder wie in alten Zeiten durch die Furt zu Weiden am anderen Ufer treiben können.
In etwa vier Monaten sollen sämtliche Bauarbeiten inklusive des neuen Nidda-Radwegs fertig sein. »Der Fluss«, verspricht Lehr, »wird ökologisch und optisch in einem viel besseren Zustand sein.« (den)