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Per Lift ins Freibad

Hebeanlage ermöglicht körperlich eingeschränkten Personen den Zugang ins Schwimmbecken

Kurz vor dem großen Moment: Rollstuhlfahrer Hajo Prassel fühlt sich sicher auf dem Lift und strebt dem kühlen Nass entgegen. Bürgermseister Stöhr sieht es mit Freude.
Kurz vor dem großen Moment: Rollstuhlfahrer Hajo Prassel fühlt sich sicher auf dem Lift und strebt dem kühlen Nass entgegen. Bürgermseister Stöhr sieht es mit Freude.

Menschen mit Behinderungen brauchen hier und da Hilfe bei den täglichen Herausforderungen. Doch gewollt ist das oft nicht, denn schließlich wollen auch sie ein möglichst eigenständiges Leben führen. Im Bad Vilbeler Freibad ist diese Selbstständigkeit nun gegeben

Bad Vilbel. Für den städtischen Behindertenbeauftragten Hajo Prassel ist es schon ein besonderer Moment im Bad Vilbeler Freibad. „Ich wohne seit 1987 hier, nur 400 Meter vom Bad entfernt. Doch im Wasser war ich noch nie“, erklärt er. Und freut sich auf das, was ihn gleich erwartet. Denn erstmals geht es für ihn in das Bad Vilbeler kühle Nass.

Möglich macht das ein mobiles Hebesystem, das die Stadt nun für gut 11 000 Euro angeschafft hat. Doch Urheber des Ganzen war nicht Prassel. „Wir haben im vergangenen Jahr den Brief einer Bürgerin bekommen, die für ihren Sohn um einen solchen Lift gebeten hat, auch für das Hallenbad“, schildert Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) den Ursprung des Ganzen. Sich noch 2015 darum zu kümmern, sei zu kurzfristig gewesen.

Deswegen habe er sich gemeinsam mit Prassel und Monika Dieckert, der Fachbereichsleiterin Tourist-Info, Kur- und Bäderverwaltung, zusammengesetzt. Dabei ermittelten die drei mit dem nun gegebenen Vorlauf die notwendigen Kriterien, die das Liftsystem aufweisen müsse.

Mobil und flexibel

„Wir haben uns für ein mobiles System entschieden, das flexibel einsetzbar ist.“ So kann es abends eingeschlossen und aufgeladen werden. „Vandalismus ist eben leider auch hier im Freibad ein gewisses Thema“, sagt Dieckert. Außerdem sei das Gerät dadurch wartungsfreier, weil es nicht der Witterung und ständigen Feuchte ausgesetzt sei.

„Pünktlich zur jetzt hoffentlich andauernden heißen Saison ist das Gerät da“, freut sich Stöhr. Doch eine Hoffnung muss er enttäuschen. Denn theoretisch ist der Lift auch im Hallenbad einsetzbar. Nur liegt das bekanntermaßen im ersten Stock, ist für Rollstuhlfahrer gar nicht erreichbar. Im geplanten Kombibad wäre das etwas anderes, obwohl Prassel hier auf eine noch bessere Lösung hofft. „Eine Rampe mit Handlauf wäre ideal. Denn dann kann man mit einem speziellen Rollstuhl ins Wasser reinfahren und auch selbständig wieder herausfahren.“

Auf dieses Ziel will Prassel weiter hinarbeiten. Dabei geht es ihm aber gar nicht nur um Rollstuhlfahrer, sondern auch um ganz andere Gruppen: „Kleine Kinder, die Angst haben, aber auch Senioren, die sich auf den Treppen unsicher fühlen, und auch Menschen nach einer Operation profitieren davon“, ist er sich sicher. Bis auf die Kinder sei das jetzt eingesetzte System aber ebenfalls für diese Gruppen da.

Und das auch für längere Zeit: Da das Freibad erst im zweiten Bauabschnitt am neuen Kombibad errichtet werden soll, wird das System sicher noch bis nach 2020 seinen Dienst im Freibad verrichten. Das Wichtigste für Prassel dabei: die Selbstständigkeit. „Das System ist sehr einfach, man braucht kein Personal und auch keinen Lehrgang, um ins Becken und auch wieder herauszukommen.“

Das Gerät wiegt 429 Kilogramm, es kann durch ein Kontergewicht und den mechanischen Spindelantrieb bis zu 136 Kilogramm sicher ins Schwimmer- und auch ins Nichtschwimmerbecken heben und dort absenken. Eine Akkuladung schafft dabei bis zu 30 Hebevorgänge.

Die ersten Züge

Und dann geht Hajo Prassel an seinen allerersten Test. Er hievt sich aus seinem Rollstuhl in den Sitz des neuen Liftes, fährt diesen in Richtung Becken. „Einen Geschwindigkeitsrausch bekommt man nicht gerade“, scherzt er noch über das Tempo, mit dem er sich dem kühlen Nass nähert. Wie kühl es ist, kann er noch nicht sagen, als er erst bis zu den Oberschenkeln drin ist, erst danach fühlt er die Temperatur.

Es folgt der große Moment: Prassel löst sich aus dem Stuhl, absolviert die ersten Züge in dem Schwimmbecken, das er fast 30 Jahre lang nicht nutzen konnte. „Das ist ein gutes Gefühl!“, stellt er zufrieden fest. Als er sich wieder herausfährt, hat er aber doch noch einen kleinen Kritikpunkt gefunden. Eine Kunststoffmatte sei noch gut, damit sich Rollstuhlfahrer nicht am betonierten Beckenrand verletzen. „Doch alles in allem war das ein Super-Test“, sagt er.