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Problemfall Handy – Experte berichtet von gewalttätige Szenen gegen die Zombie-Filme harmlos sind

Karben. „Versuchen Sie mal, Ihrem Kind ein Handy anzudrehen, mit dem es nur telefonieren oder SMS verschicken kann“, sagt Martin Weber, Kriminalbeamter der Polizeidirektion Friedberg, zu Eltern und Lehrern, die zum Informationsabend „Gefahren neuer Medien – Gewalt auf Schülerhandys“ in die Kurt-Schumacher-Schule gekommen sind. Eingeladen hatten der Arbeitskreis (AK) Schule im Gesprächskreis Prävention gemeinsam mit der Schule.

Handys seien das Kommunikationsmittel der Jugend, rund 92 Prozent aller Zehn- bis 18-Jährigen seien im Besitz eines Handys, sagt Weber, der im Bereich Jugendkriminalität tätig ist. Doch während man mit früheren Handys nur telefonieren konnte, können moderne Handys heutzutage viel mehr. So könne man mit ihnen filmen, fotografieren oder sich ins Internet einwählen. Über diesen Weg können problematische Daten auf Schülerhandys gelangen. So hätten einer Umfrage an einer hessischen Hauptschule zufolge 39 von 45 Schülern angegeben, „schon einmal bedenkliche Gewaltvideos“ gesehen zu haben.

Weber zeigte Fotos von Szenen, die Kindern von anderen Jugendlichen oder Erwachsenen aufs Handy zugespielt werden. Das Schlagen von Unbeteiligten – verharmlosend als „Happy Slapping oder Bullying“ bezeichnet – oder Vergewaltigungen sowie Schein-Hinrichtungen bis hin zu Mord-Szenen würden gefilmt und machten in Schülerkreisen die Runde. Für die Empfindungen eines Zwölfjährigen beim Anschauen solcher Szenen spiele es keine Rolle, ob die Szene real oder gestellt ist.

Verbreiter derartiger Fotos oder Filme seien sowohl Privatpersonen wie auch kommerzielle Anbieter. „Warum das gemacht wird, kann ich nicht nachvollziehen. Aber offenbar gibt es einen Markt dafür, der befriedigt werden will“, sagt Weber. Er berichtet von Bildern auf einem Handy, das ein Kollege bei einem Jugendlichen entdeckt habe. „Gegen das, was da zu sehen war, waren die ersten Zombie-Filme harmlos“, kommentiert der Kriminalbeamte Eindrücke aus seiner alltäglichen Arbeit. Bei den Kindern ginge es oftmals um eine Mutprobe nach dem Motto: Wer ist tapfer genug, diese grausamen Szenen anzuschauen? „Wer mehrfach brutale Bilder betrachtet, und sei es nur für Sekunden, bei dem sinkt die Hemmschwelle für Gewalt herab“, erklärt Weber. Die Methode werde auch bei Soldaten angewandt. Zudem könnten über Handys sowohl pornografische Bilder und Filme als auch rechtsextremes Gedankengut verbreitet werden.

„Wir Eltern stehen auf dem Standstreifen, während die Jugendlichen auf der Überholspur an uns vorbei ziehen“, stellte Dorothea Fingerling vom AK Schule die Hilflosigkeit vieler Eltern angesichts des versierteren Umgangs ihrer Kinder mit der Technik dar. „Aber wir sollten wenigstens hinsehen, wo ihr Weg hinführt.“ (kre)