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Rückblick auf ein »ambitioniertes Jahr«

In Karben ist auch im Jahr 2024 einiges zu tun. Im Gespräch mit Patryk Kubocz erläutert Bürgermeister Guido Rahn, welche Bauvorhaben Priorität haben und warum sich das Stadtbild in den letzten Jahren wandelte. Foto: Nici Merz
In Karben ist auch im Jahr 2024 einiges zu tun. Im Gespräch mit Patryk Kubocz erläutert Bürgermeister Guido Rahn, welche Bauvorhaben Priorität haben und warum sich das Stadtbild in den letzten Jahren wandelte. Foto: Nici Merz

Karben. Das Jahr 2023 ist passé. Wie hat es Karben erlebt? Was soll im neuen Jahr angegangen werden? Im Interview blickt Bürgermeister Guido Rahn zurück und wünscht sich vor allem eines: Weniger Bürokratie.
Im Jahresrückblick-Interview spricht Bürgermeister Guido Rahn über die Situation der Kinderbetreuung, die Notwendigkeit eines hauptamtlichen Stadtrats, die künftigen Bauvorhaben sowie die Lage der Unternehmen in der Stadt.
Wie sieht Ihre Bilanz für das Jahr 2023 in Karben aus? Was ist gut gelaufen? Wie würden Sie das Jahr bewerten?
Guido Rahn: Es war ein sehr ambitioniertes Jahr, und dabei ist unsere überbordende Bürokratie schon hinderlich. Alle sagen, dass diese Bürokratie abgebaut werden sollte, aber keiner macht es. Es wird immer komplexer. Es ist ein Hauptproblem, wodurch viel Zeit verloren geht. Man muss viel planen, viele Statistiken vorlegen und Auflagen beachten. Das führt dazu, dass wir in unserem Land viel zu langsam sind.
Wie äußert sich das genau?
Zum Beispiel des Baugebiet »Am Warthweg«. Da haben wir lange Zeit daran gearbeitet, bis der Bebauungsplan endlich stand und die notwendigen und wichtigen archäologischen Arbeiten weitestgehend abgeschlossen waren. Nach drei Jahren des Wartens hat sich aber die gesamtwirtschaftliche Lage geändert und ein Neubau ist zu teuer geworden – wie übrigens auch bei vielen privaten Bauwilligen. Das alte Rewe-Center wird nun saniert, und wir müssen unsere Planung wieder ändern.
Was sind positive Aspekte am Jahr 2023?
Wir haben insgesamt viel erreicht. Wir haben viele Bereiche vorangebracht, die wir weiterentwickeln wollten. Da ist die Kinderbetreuung zu nennen. Wir konnten endlich die Bauernhof-Kita in Betriebnehmen. Mit dem Bau des neuen Gerätehauses der Feuerwehr in Petterweil konnten wir endlich beginnen, und für die daneben geplante neue Kita ist der Bauunternehmer bereits beauftragt. Wir haben die Ortsdurchfahrt in Petterweil komplett saniert. Im nächsten Jahr ist Groß-Karben dran. Dann haben wir in allen Stadtteilen die Ortsdurchfahrten komplett saniert. Die Weichen für den Glasfaserausbau durch YPlaY sind gestellt, und in diesem Zuge erneuern wir gleich die Bürgersteige in großem Umfang mit.
Die Betreuung der Kinder ist einer der Posten im Haushalt, die am meisten Geld kostet. Wie sieht hier die Situation aus?
Wir haben im vergangenen Jahr über 20 zusätzliche Erzieher eingestellt. Aber wir benötigen noch weitere Erzieher. Es kommen immer mehr Familien nach Karben, also benötigen wir auch mehr Kita-Plätze. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ausfallquoten aufgrund steigender Belastungen immer größer werden. Die Eltern können die verkürzten Betreuungszeiten nur schwer auffangen. Ohne die Unterstützung von Bund und Land wird dies aber nicht gelingen, zumal die Betriebskosten weiter steigen werden. So steigt das Defizit in der Kinderbetreuung auf über 10 Millionen Euro 2024.
Dieses Jahr hat die Stadt »KarbenPlus« ins Leben gerufen. Wie läuft das Projekt bisher?
Das läuft bisher sehr gut und ist auch ein Grund dafür, warum wir 20, vor allem jüngere, Erzieher für uns gewinnen konnten. Man muss aber auch sagen, dass wir dadurch rund 600 000 Euro mehr im Jahr für das Personal in der Kinderbetreuung ausgeben müssen. Das ist ein großer finanzieller Aufwand.
Die Kosten für das Personal der Stadt wachsen von 2023 auf 2024 um rund 1,6 Millionen Euro an. Ein Teil der Steigerung ist auf die Einstellung des hauptamtlichen Stadtrats zurückzuführen. Rentiert sich die Schaffung dieser Stelle?
Die Einstellung lässt sich rechtfertigen. Als ich Bürgermeister wurde, hatten wir noch drei hauptamtliche Magistratsmitglieder. Dies haben wir eine lange Zeit mit ehrenamtlichen Stadträten und deren Engagement kompensiert. Da wurde überragende Arbeit geleistet. Aber die Anforderungen werden immer höher. Zudem kommen zusätzliche Aufgaben auf die Kommunen zu, wie beispielsweise die kommunale Wärmeplanung oder die Flüchtlingsunterbringung, mit der meine Stellvertreterin Heike Liebel viel zu tun hat. Unsere Stadt hat mittlerweile ein Haushaltsvolumen von über 50 Millionen Euro bei 400 Mitarbeitern. Ein Unternehmen mit solchem Ausmaß kann auf Dauer nicht von einer hauptamtlichen Person geführt werden.
Welche Aufgaben soll der Erste Stadtrat übernehmen?
Das klären wir gemeinschaftlich, sobald die Wahl erfolgt ist. In erster Linie soll er mich entlasten. Das Bürgermeisteramt ist ein Sieben-Tage-Job. Im Jahr habe ich vielleicht drei bis fünf Urlaubstage, und mit über 60 geht dieses Arbeitspensum schon an die Substanz. Man kann auch die Aufgaben eines Bürgermeisters nicht einfach an einen Mitarbeiter der Stadtverwaltung delegieren. Wir wollen noch viel umsetzen und benötigen dafür auch an der Verwaltungsspitze mehr Personal. Deshalb ist das Geld in einen Ersten Stadtrat gut investiert.
Bei der Einbringung des Haushalts haben Sie gesagt, dass die Stadt kein Darlehen aufnehmen wird. Können Sie das Versprechen halten?
Das kann man nie zu 100 Prozent versprechen. Mit den Zahlen, die wir jetzt kennen, kommen wir mit dem Haushalt hin. Außerdem haben wir in den vergangenen Jahren konservativ gewirtschaftet. Es stehen uns noch viele Reserven zur Verfügung. Man kann aber nicht in die Zukunft blicken. Ich weiß nicht, ob wir einen Nachtragshaushalt aufstellen müssen. Auch werden immer mehr Kosten vom Bund auf die Kommunen abgewälzt. Da sitzen die Bürger und die Kommunen im selben Boot. Aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage ist auch noch nicht gesagt, ob die geplanten Einnahmen durch die Gewerbesteuer so zustande kommen.
Die Wirtschaft ist ein gutes Stichwort. Wie sieht die Lage des Gewerbes in Karben aus?
Da kann ich keine pauschale Antwort geben. Man muss sagen, dass es kein Top-Jahr gewesen ist. Die Gewerbesteuer ist in diesem Jahr gesunken, wir haben das aber schon einkalkuliert.
Während manche Unternehmen kaum noch Steuern zahlen, haben andere diese Lücke geschlossen. Wir hängen nicht von einer einzigen Firma ab. Wir haben auch viele Unternehmen, die unscheinbar sind, aber sehr gut wirtschaften.
Wie hat die Stadt die Firmen in diesem Jahr unterstützt?
Wir haben viele Besuche bei Betrieben gemacht und zusätzlich das sehr gut besuchte Unternehmerforum veranstaltet. Das wollen wir auch für das Jahr 2024 wiederholen. Mit Carolin Beck haben wir eine hauptamtliche Wirtschaftsförderin eingestellt, die in Ergänzung zu unserem erfahrenen ehrenamtlichen Wirtschaftsförderer Otmar Stein unsere Kapazitäten im Bereich der Wirtschaftsförderung deutlich erweitert.
Können Sie eine Top-5-Liste der Bauvorhaben aufstellen, die am bedeutsamsten für die Stadt sind?
Was ganz oben steht, ist das »Brunnenquartier« in der Innenstadt. Das soll unser letztes großes Bauprojekt werden, um auch endlich ein echtes Zentrum zu schaffen und die Lücke zu schließen. Danach wollen wir ein wenig umdenken und uns auf die Innenentwicklung konzentrieren. Die Flächen zum Bauen sind einfach endlich.
Danach folgt der Neubau des Feuerwehrhauses in Petterweil und die bereits von mir angesprochenen Kindertagesstätten. Auf Platz vier folgt das Gewerbegebiet »Am Warthweg«. Und dann haben wir natürlich auch noch das Rechenzentrum in Rendel, das für die Stadt ganz wichtig ist.
Aufgrund der steigenden Zinsen wird das Bauen immer teurer. Gibt es
überhaupt Abnehmer für neue Grundstücke?

Die gibt es. Im neuen Baugebiet in Petterweil sind Bewerber wegen der Kosten abgesprungen. Aber wir haben genügend Nachrücker, um diese Grundstücke zu verkaufen. Das Erfreuliche ist, dass hierunter viele Karbener sind, die bereits seit Langem hier wohnen oder hier aufgewachsen sind und wieder nach Karben zurückkehren wollen.
2023 war das erste Jahr seit der Corona-Pandemie, das fast vollständig ohne Beschränkungen auskam. Ist das Leben in die Stadt und zurückgekehrt?
Man merkt schon, dass die Stadt viel befreiter ist und aufatmet. Die Beschränkungen haben vieles kaputt gemacht. Karben lebt von seinen Vereinen. Deswegen ist auch das gemeinsame Zusammenleben so wichtig. Ohne Vereinsaktivitäten springen auch die Mitglieder ab. Aber das muss jetzt alles wieder langsam aufgebaut werden. Die Veranstaltungen nach Corona waren in allen Bereichen fast alle gut besucht. Man merkt: Die Leute wollen raus. Sie wollen sich treffen. Das Vereinsleben ist eine der Stärken der Stadt.
Viele Menschen aus Frankfurt ziehen in den Speckgürtel der Mainmetropole. Können Sie einen Wandel in der Bevölkerungsstruktur feststellen?
Ja, natürlich. Die Fluktuation in Karben ist sehr hoch. 1500 Zuzüge im Jahr stehen 1200 Wegzügen gegenüber. Deswegen wächst die Einwohnerzahl aber auch nur ganz langsam. Hierbei muss man aber beachten, dass es eine große Anzahl an Bürgern gibt, die schon lange in Karben wohnen und hier bleiben. Und es gibt es Bürger, die wegen der Nähe zu Frankfurt aus beruflichen Gründen hierher ziehen und bereits wissen, dass sie nur für eine bestimmte Zeit hier wohnen bleiben. Dies erklärt die hohe Fluktuation. Es gibt aber den Trend, dass immer mehr Familien hierher kommen. Karben ist immer noch ländlich geprägt und liegt trotzdem in der Nähe einer Großstadt – das wissen viele zu schätzen.
Von Patryk Kubocz