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Spannende musikalische Ausflüge

Blick auf das Kammerorchester mit Klaus Albert Bauer und Pianistin Nami Eijiri, die »Rhapsody in Blue« von George Gershwin interpretierten. Foto: Fauerbach
Blick auf das Kammerorchester mit Klaus Albert Bauer und Pianistin Nami Eijiri, die »Rhapsody in Blue« von George Gershwin interpretierten. Foto: Fauerbach

Kammerorchester spielt »Musik, die mit dem Körper gehört werden will«

Bad Vilbel. Das Bad Vilbeler Kammerorchester nimmt das Publikum bei seinem dritten Burgfestspielkonzert mit in das Reich der Trolle aus der norwegischen Sagenwelt und ins swingende Amerika der 1930er Jahre.

Ein unsympathischer zwischen Wahn und Wirklichkeit schwankender Narzist und »Musik, die mit dem Körper gehört werden will, nicht mit dem Verstand« – dies alles rückte das Bad Vilbeler Kammerorchester bei der Matinee in der Wasserburg ins Blickfeld des Publikums. Auf dem Programm standen mit Kompositionen von Grieg und Gershwin zwei ebenso unterschiedliche wie spannende Stücke.

Bei ihrem Auftritt wurden Dirigent Klaus Albert Bauer und die 30 Musikerinnen und Musiker des Orchesters von Schauspieler Isaak Dentler und Pianistin Nami Eijiri verstärkt.
Im ersten Teil interpretierte das 1973 gegründete Orchester mit den Peer-Gynt-Suiten 1 und 2 von Edvard Grieg ein »Best of« der Schauspielmusik Peer Gynt zum gleichnamigen dramatischen Gedicht von Henrik Ibsen in der Übersetzung von Christian Morgenstern. Gesprochen wurden die sieben Stücke, die zu den bekanntesten Orchesterstücken der romantischen Musik gehören, von Schauspieler Isaak Dentler, der Peer Gynt mit Stimme, Mimik und Gestik verkörperte.

Kein Sympathieträger
In der von Klaus Albert Bauer gegebenen Einführung in das Stück wird schnell klar, dass dieser Peer Gynt kein Sympathieträger ist. Er ist ein schwadronierender Trunkenbold, der weder Rücksicht auf die Gefühle seiner auf dem Sterbebett liegenden Mutter Ase noch auf die seiner Liebe Solveig aus dem Nachbartal nimmt. Er ist skrupellos in seinem Drang nach Macht, Reichtum und Frauen, größenwahnsinnig und narzisstisch, lässt sich ziellos treiben. Ibsens Held mit zweifelhaftem Charakter wird im Konzert als junger Mann im norwegischen Lappland, in mittleren Jahren in Afrika und zum Schluss als alter Mann, der nach Norwegen zurückkehrt, porträtiert. Dort findet er seine Jugendliebe Solveig wieder.

Oft ist bei seinen Monologen unklar, ob die Handlung reell oder nur eine Ausgeburt seiner Fantasie ist. Die Geschichte speist sich aus der norwegischen Sagenwelt mit Trollen, dem Bergkönig und seinem Staat, enthält aber auch zahlreiche Anspielungen auf die politische Lage in Norwegen Mitte des 19. Jahrhunderts und das Weltgeschehen.

Gekonnt verknüpft die Aufführung Szenen aus Ibsens Drama mit Griegs Musik. Dabei legte das Kammerorchester Wert auf Authentizität. So spielten die Musikerinnen und Musiker die weltberühmte Flötenmelodie der »Morgenstimmung« – wie von Grieg vorgesehen – im dritten Akt, als der durch Sklavenhandel zu Geld gekommene Peer in Marokko am Wüstenrand seine Liebe zur Natur entdeckt.

Viele Hüllen ohne Kern
Nicht so schnell vergessen dürfte Schauspieler Isaak Dentler seinen Auftritt. Er isst unter Tränen eine Gemüsezwiebel in der berühmten Szene, in der Peer Gynt sich mit einer Zwiebel vergleicht, die viele Hüllen, jedoch keinen Kern hat. Er wurde für seine Leistung als Sprecher ebenso gefeiert wie danach im zweiten Teil des Konzertes die Pianistin Nami Eijiri. Das Kammerorchester widmete diesen Teil George Gershwins »Rhapsody in Blue«.

Das swingende Jazzstück läutete am 4. Februar 1924 eine neue Ära in den Konzertsälen ein. »Die uramerikanische Musik des Jazz drängt in den Konzertsaal«, informierte Klaus Albert Bauer. Die Komposition fand vor den Ohren zeitgenössische Musikkritiker keine Gnade. Da bereits »der erste Takt mit seinem unendlich in die Höhe gezogenen Klarinettensolo unerhört« ist. Und dann folgt noch »ein wildes Durcheinander von Orchesterpassagen und langen Klaviersoli und der am Kanon geschulte Musikhörer verliert die Orientierung. Diese swingende, »blaue« Musik mit rhythmischen Finessen will mit dem Körper gehört werden, nicht mit dem Verstand«.

Das Publikum im Jahr 2021 hat gelernt diese Musik mit allen Sinnen zu hören und zu genießen und swingt ausgelassen im Takt der Musik mit. Am Ende werden alle Mitwirkenden des Konzerts – das Orchester wie auch die Solisten – noch einmal stürmisch gefeiert.